Gefragt: Die Mediatorin zwischen den Mietparteien

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Bei Nachbarschaftskonflikten hilft Mediatorin Magdalena Liebethat weiter. Denn Hausverwaltungen können einen wichtigen sozialpolitischen Beitrag leisten.

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Bei Nachbarschaftskonflikten hilft Mediatorin Magdalena Liebethat weiter. Denn Hausverwaltungen können einen wichtigen sozialpolitischen Beitrag leisten.

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Wenn der Haussegen schief hängt, tritt sie in Aktion. Die freundliche Frau mit der verbindlichen Ausstrahlung tut dann einfach das, was sie am liebsten tut und obendrein sehr erfolgreich: Menschen kennenlernen, kommunizieren, zuhören und vermitteln. Ihre Spezialgebiete: Vertrauen aufbauen, Missverständnisse aus dem Weg räumen, gemeinsame Lösungswege suchen und auch begehen. Seit acht Jahren ist die Grazerin Magdalena Liebethat nun als Siedlungsbetreuerin und Mediatorin für die Wohnbaugruppe Ennstal (ENW) in der gesamten Steiermark aktiv. Ob Streitigkeiten am Spielplatz, Lärmbelästigung oder Müll: Ihre Aufgabe ist es, Konflikte vor allem in den multikulturellen Siedlungen zu entschärfen. Alle ihre Projekte - sei es das Gestalten von Begegnungsräumen in Siedlungen, Frauentreffen, Deutschprojekte, Lernen und Freizeitprojekte für Kinder, eine zweisprachige Bibliothek oder das jährliche Hauskultur-Nachbarschaftskonzert - dienen dem Verbinden von Menschen.

Dafür wurde sie unlängst mit dem Frauenpreis 2017 der Stadt Graz gewürdigt. Denn Liebethat ist eine von vielen, die scheinbar "nur ihre Arbeit tun", dabei aber einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag von hoher politischer Wirkung leisten. "Es hat mich umso mehr gefreut, dass der Preis die Wertigkeit der Arbeit aufzeigt, die im Alltag im öffentlichen Raum nicht sichtbar ist", sagt sie selbst.

Mahnbriefe ohne Wirkung

Ohne Mediation sind oft die Anwälte die einzigen Gewinner. "Die Leute tun sich permanente Wohnungswechsel an. Dabei ist die Wohnzufriedenheit ein ganz zentrales, intimes Thema." Haben sich Konflikte einmal verhärtet, führt ein Mahnbrief der Hausverwaltung so gut wie nie zum Erfolg. "Die Leute fühlen sich dann bloßgestellt und werden noch grantiger auf die Nachbarn", weiß Liebethat. Ihr Arbeitgeber erkannte den Bedarf nach alternativen Wegen und ermöglichte der sozial interessierten Mitarbeiterin, die Berufsstationen im Kindergarten und im Spital hinter sich hat, die Ausbildung zur Mediatorin. Mit dem Schritt nahm die ENW eine Vorreiterrolle ein. Nun können sich die Hausverwalter bei Konflikten zuerst an Magdalena Liebethat wenden - und sie ist gefragt.

Wird der Leidensdruck zu groß, wird ihr kostenloses Angebot gerne angenommen. Liebethat holt sich in Einzelgesprächen die Informationen von beiden Seiten und geht möglichst unbefangen in die Mediation: "Wenn man dann nachhakt, ist es plötzlich nicht mehr die störende Waschmaschine, sondern die Beschwerde, dass der andere nie grüßt." Auch wenn es manchmal lange dauert, bis eine Gesprächsbereitschaft oder Einsicht da ist: "Jeder, der mit mir diesen Prozess durchgemacht hat, hat gesagt: Warum haben wir das nicht schon viel früher gemacht?"

Auch wenn es keine konkreten Zahlen dazu gibt, stehen Nachbarschaftskonflikte gerade im urbanen Raum mit beschränktem Platz auf der Tagesordnung. Tatsächlich müssten sich die Hausverwaltungen stärker einbringen, schon bevor eine neue Mietpartei einzieht, meint der Grazer Liegenschaftseigentümer und Hausverwalter Georg Kotzmuth. Seine Firma Dageko ist in den Multikulti-Bezirken Gries und Lend präsent und führt mit jeder Mietpartei ein Gespräch zum Kennenlernen: Was braucht der Mieter? Gibt es Kinder? Besuchen sie einen Kindergarten? Warum ist jemand arbeitslos? Besucht die Person einen Deutschkurs? Besucht auch die Frau einen Deutschkurs? Seiner Erfahrung nach lassen sich so viele spätere Probleme vermeiden. "Den Behörden und den NGOs mit ihren langen Wartelisten wird damit viel abgenommen", ist Kotzmuth überzeugt. Auch die Eigentümer und die Hausverwaltung profitieren von der Stärkung ihrer Mieter: "Es gibt weniger Leerstände, Instandhaltungskosten und Sanierungskosten, weil die Mieter sich mit ihren Räumlichkeiten identifzieren", sagt Kotzmuth.

Örtliche Gepflogenheiten kennen

Ist erst einmal eine Vertrauensbasis geschaffen, komme es kaum zu Rechtsstreitigkeiten. So könnten die Hausverwaltungen durch eine soziale Stärkung des Mieters eine wesentliche Säule in der österreichischen Sozial- und Integrationspolitik spielen. Besonders hoch ist das Konfliktpotenzial, wenn Menschen zuziehen, die die örtlichen Gepflogenheiten nicht kennen. Die Frage: Warum grüßt mich der Nachbar nicht?, ist fast immer Thema. Oft brauche es ein ganzes Treffen nur für den Bereich Umgangsformen: "Heute stellt sich in der Stadt kaum mehr wer vor, der zuzieht, da entstehen im Kopf schnell Bilder", berichtet Liebethat. Vor allem, wenn es nicht Einheimische sind. "Es reichen Kleinigkeiten, wenn etwa der Karton zu lange im Stiegenhaus steht, und es wird emotional." Liebethats Aufgabe ist es, die Leute in ihrem Ärger abzuholen und ihnen nahe zu bringen: Was ist ihre Wahrnehmung, was ist Faktum?

Migrantische Frauen stärken

Ein wesentlicher Faktor für den Wohnfrieden ist die soziale und ethnische Durchmischung. Hausverwalter Kotzmuth empfiehlt auch in migrationsstarken Gegenden einen Mix von zirka einem Drittel Österreicher und zwei Drittel Zugewanderter. "Eine einzige Gruppe sollte nicht zu dominant werden, aber es sollten auch nicht nur Familien mit Kindern in einem Wohnhaus wohnen", weiß Kotzmuth. Mehrheitlich kommen die Beschwerden von Frauen, weil sie öfter zu Hause sind. Frauen aus patriarchalen Kulturkreisen würden sich weniger massiv und fordernd beschweren. "Für viele ist es auch eine Hemmschwelle, einem fremden Mann gegenüber zu sitzen. Ihre Männer kommen zwar meist mit zur Mediation, können aber schwer etwas zum Konflikt sagen, weil die Frau das Heim managt", berichtet Liebethat. Die erfahrene Mediatorin kann aber auch viele Geschichten von Männern mit Migrationshintergrund erzählen, die ein Gespräch mit ihr sehr wohl ernst nehmen. "Es ist mir auch schon gelungen, dass Männer mir doch die Hand schütteln", betont sie. Manchmal brauche es aber tatsächlich einen Mann als Mediator.

Ein Thema ist auch die interkulturell verschiedene Vorstellung von Pünktlichkeit. Teils ist die Sprache eine große Hürde. In komplexeren Fällen ist eine Vernetzung mit anderen Institutionen, NGOs, Stadtteilen hilfreich: Manchmal betrifft ein Problem etwa auch das Jugendamt oder die psychosozialen Dienste. Mittlerweile wurde Liebethat eine Kollegin zur Seite gestellt, denn die Nachfrage nach Mediationen im Siedlungsbereich steigt. Inzwischen hat die ENW auch das Thema Siedlungsbetreuung entdeckt: Dabei werden Siedlungen über längere Zeit begleitet, etwa um Frauen aus ihrer Isolation zu holen.

Am Grazer Schönauer Gürtel endete ein Streit zwischen einer österreichischen und einer türkischen Familie vor Gericht. "Die Kinder benutzten schon die Schimpfwörter in der anderen Sprache", erinnert sich Liebethat. Heute, sieben Jahre später, ist die Siedlung nicht wiederzuerkennen. Der geschaffene Begegnungsraum und die Kinderprojekte werden gut angenommen. Kinder seien überhaupt ein Schlüssel: "So kommen auch die Erwachsenen zusammen, Kinder versöhnen sich viel schneller wieder." Von heute auf morgen ging das freilich nicht. "Inzwischen gibt es dort keine so gut wie keine Mieterwechsel mehr, weil die Leute dort gerne wohnen", sagt die Mediatorin stolz. Wie ihr Erfolgsrezept lautet? "Empathie, Geduld, und es braucht schon eine gesundes Maß an Gelassenheit", lacht Liebethat.

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