Hippies - © Foto: Getty Images / David Attie

Hippies in der Sowjetunion: Mit „System“ für die Freiheit

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Auch in der Sowjetunion entwickelte sich eine Hippie-Kultur. Deren Anhänger hatten es aber schwer – und überdauerten dennoch länger als ihre westlichen Gleichgesinnten.

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Auch in der Sowjetunion entwickelte sich eine Hippie-Kultur. Deren Anhänger hatten es aber schwer – und überdauerten dennoch länger als ihre westlichen Gleichgesinnten.

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Ganz gleich, was man von der Hippie-Bewegung als Ganzes hält, kommt man kaum umhin, für das sowjetische Pendant dieser in den 1960er Jahren in den USA entstandenen Gegenkultur eine Sympathie zu entwickeln – und Respekt. Denn in der Sowjetunion bedeutete die Zugehörigkeit zu der sich als „Sistema“, das System, bezeichnenden Bewegung vor allem großes Risiko. In westlichen Staaten ist die sowjetische Hippie-Bewegung bis heute weitgehend unbekannt, ebenso wie die Tatsache, dass die Anhängerinnen und Anhänger dieser Untergrundkultur erheblichen Repressalien ausgesetzt waren. Psychiatrieeinweisungen, Gefängnisstrafen, Diskriminierung im Berufsleben: Sich als Hippie zu bekennen oder zu zeigen, bedeutete vor allem in der Ära von Leonid Breschnew, in den Jahren 1962–1982 Generalsekretär der KPdSU, ein gefährliches Leben am Rand der Gesellschaft.

Westliche Musik war hoch im Kurs

Vor allem ab 1971, als die sowjetischen Hippies eine Demonstration gegen den Vietnamkrieg der USA organisierten und dabei zu Tausenden von den sowjetischen Behörden verhaftet wurden, hieß Hippie-Sein in der SU vor allem: Untergrund. „Dadurch hat sich in der Folge aber auch ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt“, sagt Juliane Fürst im Gespräch.

Die Historikerin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) hat im Jahr 2021 die Monografie „Flowers Through Concrete“ herausgebracht, in der die sowjetische Hippie-Kultur eingehend beleuchtet wird. „Die Bewegung rekrutierte sich in der Sowjetunion hauptsächlich aus Leuten, die tatsächlich zu 150 Prozent in dieses Hippie-Leben eingestiegen sind“, sagt sie. Wichtige Impulse für die sich in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren formierende Bewegung kamen freilich aus westlichen Staaten. Hoch im Kurs stand etwa westliche Musik, vor allem jene der Beatles und John Lennons. Die sowjetischen Hippies stammten dabei vor allem aus privilegierten Familien, oftmals waren es Kinder kommunistischer Parteikader, die durch den Status der Eltern überhaupt erst den Zugang zu westlichen Gütern und Informationen hatten. Besonders stark war die Hippie-Bewegung zu Beginn vor allem im westlichen Teil der SU – in den baltischen Teilrepubliken Estland, Lettland und Litauen sowie in der Ukraine. Sowjetische Zeitungen berichteten anfangs sehr umfangreich über die westliche Hippie-Bewegung – vor allem wegen deren Antikapitalismus und Antiimperialismus.

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