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Die Spielzeugindustrie überschwemmt die heimischen Kinderzimmer mit Botschaften von Übersinnlichkeit, Gewalt, Krieg und Zerstörung.

Als vor einigen Wochen ein Prospekt eines Großkaufhauses in die Haushalte flatterte, auf dem allerlei hässliche Fratzen, Monster und sonstige gruselige Gestalten abgebildet waren, sollte dies offensichtlich den Kindern so richtig Lust auf "Halloween" machen. Nun wird das amerikanische "Halloween"-Fest, das angeblich irgendwelche finstere Gestalten oder Ähnliches vertreiben soll, neuerdings auch in unseren Breiten immer stärker beworben, sodass, neben den vordergründigen kommerziellen Gründen doch auch andere Aspekte Aufmerksamkeit verdienen.

Da ist - aktuell zur bevorstehenden Zeit des Geschenkemachens - einmal der völlige Tabubruch in puncto Kinderspielzeug, der zwar schon vor einiger Zeit, mit der Entwicklung der Gewalt,- Kriegs,- und Nazi-Videospiele, passiert ist. Aber vielleicht ist spätestens der globale Schrecken der Attentate in New York und die seither in Gang gekommene Debatte über dessen Motive und die Wertesysteme in der ersten, zweiten und dritten Welt ein Anlass zu bedenken, dass die Kinderzimmer als wichtiger Ort der Entwicklung von Phantasie und Lebensbewältigung dermaßen von Schund überschwemmt werden, was nicht ohne Folgen für die Entwicklung von Hemmschwellen, Friedens- und Konfliktfähigkeit und von sozialer Kompetenz sein kann, also Werte, die angeblich immer gefragter im Berufsleben sind. Denn der Friede kommt ja bekanntlich aus dem Kinderzimmer, wie es der Wiener Kinderpsychiater Hans Czermak ausdrückte.

Viele Eltern stehen aber diesem destruktiven Diktat der Spielwarenindustrie ausgeliefert und hoffnungslos gegenüber und erfahren auch von der Öffentlichkeit in dieser Beziehung wenig Unterstützung, außer, wenn irgendwann wieder einmal ein Schüler durchdreht und seine Lehrer attackiert. Ein entschiedenes Auftreten gegen solcherart Spielzeug scheint in der Konsumgesellschaft, in der das pädagogische Wirken bereitwillig an die Medien und Markenindustrie abgegeben wurde, politisch nicht korrekt zu sein.

Heilsbotschaften

Es liegt auf der Hand, dass die Voraussetzung für die Hochkonjunktur solcher "magischer" Gruselszenarien eine verfestigte geistige Desorientierung unter Eltern und Kindern ist, ohne der etwa auch das als schauriges Spektakel beworbene "Halloween" oder andere populäre Bräuche wohl kaum ein solches Echo hätten. Es scheint, dass mit solchen Bildern eine transzendente Überhöhung des offenbar als zunehmend banal empfundenen Alltags versucht werden soll. Wer etwa die gruseligen Fratzen auf den Plattencovers diverser Musikgruppen aus der Heavy Metal,- Techno,- und anderer Szenen kennt und weiß, wie blindgläubig sich viele Jugendliche die Heilsbotschaften dieser Musik-Gurus - samt Animation zum Drogenkonsum quasi im Beipackzettel - "hineinziehen", kann sich allerdings die Art der Bildung von mystischem Bewusstsein bei einem Gutteil der nachwachsenden Generation lebhaft vorstellen.

Da passt es auch dazu, um einen anderen aktuellen Kontext zu nennen, dass sich eine amerikanische Rockband "Anthrax" nennt, diese Bezeichnung durchaus "cool" fand und jetzt angesichts des Auftretens der tödlichen Bakterien gleichen Namens nicht anders konnte als sich zähneknirschend zu distanzieren von diesem Missbrauch ihres unschuldigen Namens. Hauptsache, alles ein Riesenspaß.

Im Bereich des Kinderspielzeugs oder - für die nächste Altersgruppe - der Musikszene herrscht jedenfalls schon die längste Zeit ein schrankenloses Laisser-faire, das sich schon weit jenseits des guten Geschmacks bewegt und wogegen sich eigenartig wenig öffentliche Kritik regt - auch von jenen gesellschaftlichen Kräften, die ansonsten vor einem bedingungslosen "Neoliberalismus" im sozialen und wirtschaftlichen Leben zu Recht warnen. Warum auch? Es geht ja nur um Kinder und Jugendliche.

Schließlich seien einige in Zeiten wie diesen wahrscheinlich etwas ketzerische Fragen erlaubt: Gehören solche Kinder-Spiele mit dem Schrecken und der Lust an Zerstörung, dem Grusel und übersinnliche Unterhaltungsangebote, fein kommerziell verpackt, zum allgemein anerkannten Wertekanon, das der zivilisierte Westen sich nun genötigt sieht, gegen die unzivilisierte islamische Welt zu verteidigen? Und: Wie glaubwürdig ist dieses Wertesystem für Nichtangehörige der westlichen Lebenskultur, die ja mit der Globalisierung ihre Strategie der totalen und tabulosen Kommerzialisierung auch ins entlegenste Nest der Erde exportiert? Wie kann man etwa islamische Eltern und Jugendliche davon überzeugen, dass sich die Werte der freien westlichen Welt nicht auf die Freiheit der Vermarktung destruktiver Gewaltbotschaften ohne inhaltliche Schranken reduzieren?

Dabei wäre es gerade in der jetzigen Situation des zumindest einmal öffentlich debattierten globalen Zusammenpralls der Kulturen doch eine spannende Herausforderung, die Werte der westlichen Welt, die ja zunehmend vom amerikanischen way of life geprägte sind (wo bleibt in kultureller Dimension übrigens das stolze Projekt der "Europäischen Union"?), als sympathische, zukunftstaugliche und im umfassenden Sinn friedfertige zur weltweiten Diskussion zu stellen.

Dies wäre die notwendige Auseinandersetzung des westlichen Lebensstils mit den religiösen Grundfragen, die mit dem monströsen Attentat des 11. September tatsächlich auf der ganzen Welt angesprochen wurden (siehe furche 39/2001).

Konkret heißt dies, etwa zur Auffüllung des offensichtlichen geistig-seelischen Sinnvakuums, in öffentlich wirksamer Weise zeitgemäße religiöse Argumente zu formulieren, um die grundlegenden Antworten nicht auch in unserer wissenschaftlich-technischen Zivilisation den fundamentalistischen Gruppen zu überlassen.

Der Autorist Referent im Familienministerium.

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