Und er stellte einKind in ihre Mitte

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Die Österreichische Pastoraltagung 1997 thematisierte den kirchlichen Umgang mit Kindern.

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Die Österreichische Pastoraltagung 1997 thematisierte den kirchlichen Umgang mit Kindern.

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Ein achtjähriges Mädchen schreibt in einem Brief an den lieben Gott: "Ich verstehe nicht, warum ich beten soll, wenn du eh weißt, was ich brauche, aber ich tue es trotzdem, wenn du dich dabei besser fühlst."- Kinder buchstabieren ihren Glauben selbst. Sie erleben Kirche und Religion anders als die Erwachsenen. Wer vor zehn Jahren mit Kindern gearbeitet hat, weiß nicht, wie Kinder heute sind: Kinderpastoral unterliegt wie alles im gegenwärtigen Leben einer Dynamik, die ständige Entwicklung bedeutet. Die Perspektiven dieser Entwicklung wurden im Rahmen der diesjährigen Österreichischen Pastoraltagung im Kardinal-König-Haus in Wien-Lainz dargestellt.

Katharina Novy und Ingrid Kromer befaßten sich in ihrem Beitrag mit der Vielfalt der Kindheit am Ende des 20. Jahrhunderts. Dabei waren die beiden Referentinnen bemüht, Stereotypen von Erwachsenen über das Leben von Kindern abzubauen. Die weitverbreitete Gewißheit: "Kinder werden heutzutage materiell verwöhnt", zum Beispiel entspricht nicht der Wahrheit. Andererseits spielt Konsum im Leben von Kindern heute eine viel größere Rolle als in der Vergangenheit. Es werden Produkte für Kinder hergestellt, viele Werbespots sind für das jüngste Publikum bestimmt. Dieses steigende Angebot aber bedeutet auch mehr Verzicht. Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut bedroht. Das sind, so Kromer und Novy, vor allem Kinder aus Arbeiterfamilien, Kinder von Alleinerziehern oder Arbeitslosen. Die materielle Not hat Auswirkungen auf den psychischen Zustand dieser Kinder: Scham, Streß ... bestimmte Markenartikel zu besitzen bedeutet heutzutage dazuzugehören, kein Außenseiter zu sein.

In ihrem Vortrag über Entwicklungspsychologie als Grundlage jeglicher Arbeit mit Kindern formulierten die Wiener Psychologen Wilfried und Margit Datler, wie eine erfolgreiche Kinderpastoral stattfinden kann: "Heranwachsende brauchen Beziehungen, in denen sie sich gehalten und verstanden fühlen, in denen auch Gefühle wie Enttäuschung, Ärger, Neid oder Wut geäußert werden können. Sie brauchen Beziehungen mit verschiedenen Menschen. Dabei kommt dem Zusammensein mit anderen Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zu."

Clemens Schermann, Pfarrer dreier Pfarren im Burgenland, und Maria Oberhauser, Pastoralassistentin in Schwechat, erzählten über ihre Arbeit mit Kindern in ihren Gemeinden. Dabei stellte sich heraus, daß die städtische Pfarre bessere Möglichkeiten für Kinderpastoral bietet. Am Lande geht alles noch traditionell zu, die Kinder werden nicht mit ihren Interessen und Bedürfnissen wahrgenommen. So werden sie nicht als Partner der Erwachsenen angesehen.

Kirche ohne Angst Bernhard Grom, Jesuit und Religionspsychologe aus München, betonte in seinem Beitrag über die religiöse Kindererziehung, daß man heute "mit einem allgemeinen Autonomiebewußtsein, wie es frühere Generationen nicht kannten", zu rechnen habe, deshalb könne nur eine zwangfreie und entwicklungsfördernde Glaubensvermittlung richtiges und produktives Erziehungskonzept sein.

Höhepunkt der Tagung bildete das Referat von Regina Petrik-Schweifer und Wolfgang Weirer über die Perspektiven der kirchlichen Arbeit mit Kindern.

Die Referenten gingen vom Grundgedanken aus, daß Glauben nicht machbar, sondern ein Geschenk ist: Kinder brauchen eine Kirche, die nicht Angst macht, sondern Lebensfreude ausstrahlt, die sich von den Bedürfnissen und den Nöten der Kinder berühren und leiten läßt, in der sie Gemeinschaft mit Gleichaltrigen erleben und groß und stark werden können.

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kinderpastoral sei, die Kinder zu mögen und sie das spüren zu lassen. Die Erwachsenen, die mit Kindern arbeiten, sollen versuchen, die Welt aus der Kinderperspektive zu sehen. Dafür sollen sie den Kindern besser zuhören, mit ihnen lachen, sie neugierig machen, eine Sprache sprechen, die die Kinder verstehen. Diesen Ansichten schloß sich der Eisenstädter Bischof Paul Iby an: "Die Kinderpastoral braucht die Zuwendung und das Wohlwollen der Amtskirche, damit möglichst viel, was gedacht und geglaubt wird, in Erfüllung geht."

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