Wenn Geld zum Problem wird ...

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Was treibt den Menschen unserer Tage in Einkaufszentren? Weshalb haben einige unserer Zeitgenossen 30 Paar Schuhe oder 50 Taschen? Ist es wirklich nur die Werbung, die uns motiviert, möglichst viel einzukaufen, um garantiert auch bewundert, beneidet und geliebt zu sein? Was treibt den Menschen unserer Tage immer tiefer in die Abhängigkeit von materiellen Gütern?

Es wird in diesem Zusammenhang vielfach bereits von Suchtverhalten gesprochen. Konstante und teure Suchtbefriedigung verdeckt jedoch meist tieferliegende Probleme und hindert uns an deren Wahrnehmung und Lösung. Der Müncher Lebensberater Bernhard Langwald sieht im Scheintrost des Kaufens den Versuch, sich mit den wahren, nichtmateriellen Nöten der eigenen Person auseinandersetzen zu müssen.

Geld spielt dabei nur die Rolle eines Instruments, mit dem echte oder eben auch nur vorgeschobene Bedürfnisse befriedigt werden. Viel Geld auszugeben kann eine Kompensation von sehr vordergründigen Bedürfnissen sein.

Der Kaufsüchtige fragt sich heute meist nicht mehr, was will ich eigentlich damit erreichen, wenn ich viele Kleider kaufe? Er/sie denkt gar nicht daran, daß die vollgestopften Kästen stellvertretend für eine uneingestandene innere Leere fungieren. Die Theologin, Germanistin und Marketing-Fachfrau Elisabeth Kräuter erklärt das so: "Viele Menschen denken, wenn ich mehr habe, geht es mir auch besser. Ihr Planen geht dementsprechend ganz in die Richtung: Wie kann ich dafür auch mehr verdienen?"

Irgendwann "kippt" aber diese Automatik: ein zu viel an Konsum führt in sehr vielen Fällen dann auch zu einer Abnahme des erwarteten Glücksgefühls. Kaufen kann eben nicht das ersetzen, was ein erfülltes Leben ausmacht - Zuwendung, Anerkennung, Freundschaft, Muße, Gemeinschaft, nicht nur miteinander, sondern auch mit der Natur.

Langwald und Kräuter benennen vier Grund-Gesten, die den Umgang mit Geld bestimmen: einnehmen, ausgeben, festhalten, investieren. Diese vier Gesten sollten im Idealfall gleichgewichtig sein, können aber im Einzelfall die Dominanz einer einzelnen Geste nicht ausschließen: Ist eine der Gesten jedoch zu stark ausgeprägt, kann es zu einer "Ideologisierung" des Geldes kommen. Hier spielen auch die Lernprozesse der frühen Kindheit eine sehr entscheidende Rolle: Wie war die Entwicklung des Selbstwertverhaltens? Wie viel bin ich mir wirklich wert?

Die Frage "wie viel bin ich mir wert?" spielt besonders bei Frauen eine sehr wichtige Rolle. Sie haben beispielsweise, wenn sie beruflich selbständig werden und ihre "Preise" fordern müssen, nicht selten erhebliche Schwierigkeiten. Denn Frauen werden lange Zeit hindurch so sozialisiert, daß sie für sich selbst nicht viel nehmen durften. Für andere etwas zu nehmen fällt Frauen hingegen um vieles leichter.

Frauen haben ein grundsätzlich anderes Sicherheitsbedürfnis als Männer, sie gehen in Geldangelegenheiten auch weniger Risiken ein, sie schützen ihren Besitzstand und treffen mehr Vorsorge. Kräuter dazu: "Meiner Erfahrung nach scheitern viele Frauen bei beruflichen Existenzgründungsverhandlungen daran, daß sie ihre Kreditforderungen bei den Banken zu niedrig ansetzen. Sie bekommen dann auch zu wenig, sind von Anfang an unterfinanziert. Kommt es zu Liquiditätsengpässen, scheitern viele von ihnen dann in dieser Phase. Auch sind sogenannte "Kleinkredite" für Banken nicht sehr lukrativ. Frauen, die wenig fordern, haben daher auch in diesem Bereich von vornherein schlechtere Startbedingungen.

Die beiden Psychologen Kräuter und Langwald kennen Fälle, in denen es bei Erbschaften zu völlig neuen und unerwarteten Problemen kommen kann. Nämlich immer dann, wenn die Kinder ihre Eltern nicht annehmen konnten und die Eltern - noch bevor eine Versöhnung stattgefunden hat, - sterben. Hier erfordert es ein hohes Maß an innerer Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Problem, um eine vorbehaltlose Annahme von Geld möglich zu machen. Endlose, nach außen vollkommen unlogisch erscheinende Auseinandersetzungen und die Zuziehung von Anwälten bei an sich einfachen Verlassenschaftsabhandlungen könnten nach Meinung der Psychologen in alten und ungelösten Konflikten ihre Wurzel haben.

Der richtige Umgang mit Geld fällt auch vielen älteren Menschen nicht leicht. Sie haben Zeit ihres Lebens gelernt, mit wenig auszukommen, haben aber ihre Kinder und Enkelkinder lebenslang mit Zuwendungen verwöhnt. Wenn diese Menschen an einem Punkt ankommen, an dem sie an sich selbst denken müssen, entstehen unerwartete Probleme. Wenn nie Grenzen gesetzt wurden, wenn nie "eingeübt" wurde, auch für sich selbst Geld zurückzuhalten, kann das zu Konflikten innerhalb der Familie führen. Denn die Jungen erwarten weiterhin das gewohnte Maß finanzieller Zuwendung. Es kann zu einem Auseinanderklaffen der gewohnten Erwartungen versus der Bereitschaft, weiterhin Geldquelle zu bleiben, kommen. Neu hinzugekommene Familienmitglieder wie Schwiegersöhne und -töchter tragen das Ihre zu einer Problematisierung des Falles bei. Enkelkinder werden von ihnen nicht selten in erpresserischer Weise von den Großeltern ferngehalten um das Fließen der alten Geldquelle wieder anzukurbeln.

Dazu kommt der für ältere Menschen teilweise unverständliche Trend der Jugendlichen, für Sport, Aussehen und Kleider sehr viel Geld auszugeben. Dem Konsum und "fun" gilt heute eben ihr größtes Interesse, beides rangiert weit vor politischen und sozialen Interessen.

Was immer also wir mit Geld erfahren, es hat meist wenig mit Geld selbst zu tun. Vielmehr zeigt es deutlich unsere erlernten Wertvorstellungen und ist ein Spiegelbild der Biographie. Geldprobleme sollten auch nie isoliert betrachtet werden.

Menschliches Verhalten in Bezug auf Geld sagt in den meisten Fällen auch viel über die Einstellung zum Leben aus ...

Zum Dossier Die Einstellung zum Geld sagt viel aus über die Einstellung eines Menschen zum Leben (Seite 13). Mit "Clubangeboten" versuchen Banken junge Kunden zu ködern (Seite 14), Pensionsvorsorge wird ab 1. Jänner 2000 wieder steuerlich begünstigt (Seite 15 und 16).

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