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ADAM RÄPACKI / BESUCH AUS WARSCHAU

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Wien erwartet in diesen Tagen einen Besuch aus Warschau. Am 8. März wird der polnische Außenminister Adam Rapacki in der österreichischen Bundeshauptstadt eintreffen und hier neben offiziellen Besuchen und Empfängen auch einen Vortrag halten, der gleichsam als eine Antwort auf die Ausführungen des österreichischen Außenministers vom vergangenen Herbst in Warschau aufzufassen ist. Ein intellektuelles Streitgespräch auf hoher Ebene und unter

Beachtung aller Spielregeln der Diplomatie? Adam Rapacki wäre der richtige Mann dazu.

Der noch jünger aussehende 53jährige Mann an der Spitze des polnischen Außenministeriums ist, wie kaum ein anderer seiner Ostblockkollegen, dazu befähigt, internationale Gespräche einzuleiten. Seine Person und sein Werdegang entsprechen nämlich ebensowenig den Vorstellungen, die sich geeichte Parteikommunisten wie Antikommunisten aus Profession von dem Leiter des Außenressort eines kommunistischen Staates machen.

Die Familie, aus der Rapacki stammt, ist in jenem speziellen polnischen Milieu zu lokalisieren, in dem Kleinadel und aufstrebendes Bürgertum einander begegneten. Die Knute des Zaren verhinderte die anderswo sich rasch ausbreitende Selbstgenügsamkeit dieser Gesellschaftsschichte. Der Vater des heutigen polnischen Außenministers, Marian, wird aus Kongreßpolen ausgewiesen. Wie viele andere Polen führt ihn sein Weg in jenen Jahren nach dem österreichischen Galizien, wo polnischer Geist sich frei regen kann. In Lemberg lebt die Familie bis in den ersten Weltkrieg hinein. Nicht weit von hier dürfte Adam Rapacki 1909 geboren worden sein. Zu seinen stärksten Eindrücken zählen aber sicher die Jugendjahre im Warschau der zwanziger und dreißiger Jahre. Gleich vielen akademischen Altersgenossen führt Rapackis Weg im

„Legionärstaat“ politisch nach links. Der junge Absolvent der Studien der Volkswirtschaft und Statistik nimmt nach Studienaufenthalten im Ausland kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges einen wissenschaftlichen Posten in Warschau an. Hitlers Überfall auf Polen ruft den dreißigjährigen Reserveoffizier unter die weißrote Fahne. Knapp vor Ende des Septemberfeldzuges gerät Rapacki in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die kommenden fünf Jahre stehen im Zeichen des dumpfen Lebens eines deutschen Offlag. „Nach Kriegsende eilt Rapacki“ — wir folgen hier dem Wortlaut einer offiziellen Biographie — „nach Polen zurück, nimmt seine Arbeit im Genossenschaftswesen wieder auf und tritt

1946 der Sozialistischen Partei bei.“ Junge, intelligente und weltgewandte Männer sind in Polen, dessen geistige Führung unter dem Besatzungsregime den höchsten Blutzoll entrichtete, sehr gefragt. Deshalb steigt Rapacki auch innerhalb eines Jahres in die Führungsgremien der damals noch selbständigen Sozialistischen Partei empor.

1947 zieht er als Abgeordneter in den Sejm ein; mehr noch, bald sitzt er als Minister für Schiffahrt im Kabinett. Als sich die Partei Rapackis mit der kommunistischen Polnischen Arbeiterpartei zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) fusioniert, bleibt Rapacki weiterhin auf dem Deck des Staatsschiffes der Volksrepublik Polen.

Ja er zieht sogar 1948 ins Politbüro der polnischen KP ein und übernimmt 1950 für einige Zeit das Hochschulministerium. Selbst auf dem Höhepunkt der stalinistischen Ära, 1954—1956, tut er nur einen Schritt rückwärts und bleibt als stellvertretendes Mitglied des Politbüros in Wartestellung. In seiner politischen Schmiegsamkeit hat er hier manche Ähnlichkeit mit Ministerpräsident Cyrankiewicz, der ebenfalls aus den Reihen der polnischen Sozialisten kam und sich bei politischem Frost genau so wie im einsetzenden Tauwetter behauptete.

Als Rapacki im Mai 1956 die Leitung des polnischen Außenministeriums übernimmt, steht diese Berufung schon im Zusammenhang mit dem ein halbes Jahr später einsetzenden polnischen Oktoberfrühling: der ersten unblutigen Revolution der polnischen Geschichte, die nicht zuletzt eine Kette blutiger Erhebungen ist. Rapacki überlebt. Er steigt sogar. Sein Name geht ins internationale Vokabular in Verbindung mit jenem Plan ein, den er im Oktober 1957 in der Generalversammlung der UNO einbringt und der die Schaffung einer atomfreien Zone in Mitteleuropa vorsieht. „Ein abgekartetes, von Moskau inszeniertes Spiel“: so die einen. „Ein Versuch, für den ,eigenen polnischen Weg' die außenpolitische Absicherung zu bekommen“: so die anderen. Die Einsichtigeren..

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