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Die Missionskrise im Fernen Osten

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Die Kirche hat schon seit langem erkannt, welche Gefahr für sie darin lag, daß ihre missionarische Ausbreitung in der farbigen Welt mit der kolonialen Ausbreitung der weißen Völker Hand in Hand ging, so daß es nur allzuleicht geschehen konnte, daß das Apostolat der Missionen mit der vordringenden abendländischen Kultur und ihrem Herrschaftsanspruch gleichgesetzt wurde. Der durchgreifende Wandel in den katholischen Missionsmethoden und in der Erziehung des Missionspersonals ging auf Lösung der Verbindung zwischen Ausbreitung des Christentums und Expansion der weißen Rasse. Er vollendet sich in dem Aufbau eines einheimischen Klerus und Episkopates, den die Kirche in all ihren Missionsländern mit großer Energie und weitreichender Fürsorge in Angriff nahm und der das ganze Gesicht der Missionen so gründlich geändert hat. Es gibt heute kaum ein Land der Welt mehr, daß nicht einen immer zunehmenden Stamm einheimischer Priester hätte und auch die Zahl der einheimischen Bischöfe steigt beständig.

Bis 1942 waren schon 84 Missionsbistümer eingeborenen Bischöfen unterstellt. An der Spitze steht China mit 27 chinesischen Oberhirten. Afrika erhielt 1939 durch Pius XII. den ersten Negerbischof: den Bantu Dr. Josef Kiwanuku in Uganda. Gleichzeitig ernannte der Papst auf der ost-afrikanisd.en Insel Madagaskar den eingeborenen Priester Ignaz Ramarosandratana zum Bischof. Audi die Insel Java hat in dem javanischen Jesuiten P. Albert Soegi-japarania ihren ersten einheimischen Bischof. In Japan sind schon alle Bistümer eingeborenen Oberhirten übergeben worden. Um diese einheimischen Bischöfe schart sich in den Missionsländern ein einheimischer Klerus, der mit 7300 Priestern den dritten Teil aller katholischen Priestermissionare ausmacht. Fast 4000 Studenten stehen in den Priesterseminaren der Missionsländer in Vorbereitung auf das Priestertum. Unter den Missionisschwestern bilden die Eingeborenen mit 26.000 Schwestern sogar schon die größere Hälfte.

Ein Blick auf einige Beispiele für die christenfeindliche Haltung der Unabhängigkeitsbewegungen in der farbigen Welt zeigt, daß die Kirche mit dem Aufbau eines einheimischen Klerus und Episkopats keinen Augenblick zu früh begonnen hat — dieser Klerus trägt die Mission weiter, wo der weiße Missionar sich gegen den Haß der farbigen Welt nicht mehr zu halten vermag. Es ist charakteristisch, daß es sich bei den meisten dieser Beispiele um Kämpfe auf dem Gebiet des Schul- und E r-ziehungswesens handelt.

Diese Bewegung begann schon in S y r i e n wo das katholische Schulwesen durchweg von den Franzosen aufgebaut' worden war, so daß katholische und französische Schule als fast identisch galten. Die staatliche Selbständigkeit Syriens bedeutete das Ende dieses Schulwesens. Nach dem Abzug der französischen Truppen aus Syrien haben auch die meisten französischen Ordensleute und Schwestern das Land verlassen, da sie solchen Verfolgungen und Behinderungen ausgesetzt waren, daß sie ihre Tätigkeit nicht fortsetzen konnten.

In Indien zeigt sich jetzt ebenfalls ganz deutlich, daß die indische Unabhängigkeitsbewegung ihren Kampf gegen die w'eiße Herrschaft auch auf die christlichen Missionen ausdehnt, und zwar herrscht bei den unteren und mittleren Führern der Parteien der Unabhängigkeitsbewegung, die zur Herrschaft drängen, der ausgesprochene Wille, sie und ihren Einfluß ganz aus dem indischen Leben auszuschalten, während die indischen Fürsten und auch die führenden Staatsmänner der indischen Staaten dem Christentum durchaus wohlwollend gegenüberstanden. Die Mohammedaner sind in ihrer Einstellung etwas aggressiver als die Hindus, die sich zu einem Programm der strikten Neutralität in Religionsfragen bekennen. Aber auch der Grundsatz der Neutralität bedeutet, daß auf jeden Fall eine Verbreitung des christlichen Glaubens, also die eigentliche Missionierung, verhindert werden soll, und darin sind sich beide Parteien durchaus einig.

Der Wille, einer Verbreitung des Christentums in Indien durchaus entgegenzuwirken, spricht sich deutlich in dem 1944 ausgearbeiteten Verfassungsentwurf für Indien aus, der zwar die Freiheit der Religions a u s ü b u n g als ein Grundrecht anerkennt, aber allen Einwänden von christlicher Seite zum Trotz die Freiheit der Religions Verbreitung ausdrücklich in der Formulierung ausgelassen hat. Das würde das Ende aller Missionen bedeuten.

Schon jetzt zeigen kleine Beispiele, wie sich der Grundsatz der Neutralität einmal auswirken kann. Ein von Sacre-Coeur-Schwestern geleitetes College, das Sophia College in Bombay, wurde aus dem Verband der Universität Bombay ausgeschlossen, weil zwei parsische Schülerinnen des College zur katholischen Kirche übergetreten waren und dadurch der Beweis erbracht war, daß das College den Grundsatz der Neutralität nicht beachtete.

In einem sehr ernsthaften Schulkampf hat sich die Spannung zwischen indischer Unabhängigkeitsbewegung und christlicher Mission in dem südindischen Eingeborenenstaat Travancore entladen. Travancore, das zu den fortschrittlichen Eingeborenenstaaten Indiens gehört, besaß ein wohlausgebautes Schulwesen, das 2800 Volksschulen zählte, von denen 2000 subventionierte, meist katholische Privatschulen waren. Als nun ein Angehöriger der Kongreßpartei Ministerpräsident von Travancore wurde, begann sofort ein Angriff gegen diese konfessionellen Schulen mit dem offenen Ziel ihrer Verstaatlichung und „Neutralisierung“. Proteste gegen die Maßnahmen der Regierung wurden mit Verhaftungen und Mißhandlungen beantwortet; die katholische Tageszeitung des Staates wurde verboten, ebenso die Einfuhr katholischer Zeitungen aus Nachbarstaaten; die Veröffentlichung eines Hirtenbriefes des zuständigen Bischofs wurde untersagt und dem Bischof selbst die Verhaftung angedroht.

In Ceylon ist ein Schulkampf im Gange, der dem in Travancore durchaus gleicht. Auch hier geht es um die Ent-konfessionalisierung, die „Neutralisierung“ der Schule. Zeigen die Vorgänge in Travancore und auf Ceylon, was die Christen in einem unabhängigen, von Hindus und Moslems regierten Indien zu erwarten haben, so kann man in Nieder-ländisch-Indien und Indochina bei den kürzlichen Kämpfen um die Unabhängigkeit dieser Länder schon von regelrechten blutigen Christenverfolgungen reden. Im Verlauf dieser Kämpfe wurden an so vielen Orten christliche Kirchen- und Missionsstationen zerstört, Missionare und Gläubige getötet und mißhandelt, daß man trotz der Uneinheitlichkeit der Aktionen im einzelnen doch im ganzen von einer einheitlichen christenfeindlichen Tendenz der Aufständischen reden kann.

Ähnlich wie in Niederländisch-Indien nahm auch der Aufstand der Viet-Minh in Indochina eine eindeutig missionsfeindliche Wendung. Sehr bemerkenswert erscheint, daß die annamitischen Missionspriester nicht belästigt wurden, sondern das

Missionswerk fortführen durften, und daß in einer Reihe von Fällen die europäischen Missionare durch das energische Eintreten ihrer einheimischen Pfarrkinder gerettet werden konnten. Hier zeichnet sich also mit aller Deutlichkeit ab, daß es im Grunde der Haß gegen die Weißen ist, der das Christentum und seine Mission gefährdet.

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