Aboubakar - © Foto: Giacomo Sini

Die neue Unabhängigkeit afrikanischer Erntehelfer in Italien

19451960198020002020

Ausbeutung bei harter Arbeit auf den Erntefeldern Italiens: Das wollte eine Gruppe junger Afrikaner nicht mehr hinnehmen. 2011 gründeten sie den Verein „Barikama“.

19451960198020002020

Ausbeutung bei harter Arbeit auf den Erntefeldern Italiens: Das wollte eine Gruppe junger Afrikaner nicht mehr hinnehmen. 2011 gründeten sie den Verein „Barikama“.

Werbung
Werbung
Werbung

Sie machen Späße, während sie sich über die Kohlköpfe beugen. Ismail steht auf, schaut zum Kollegen neben ihm und scherzt: „Lorenzo, tut dein Rücken nur schon vom Herumstehen weh?“ Dann reinigt er mit dem Messer den Blumenkohl von den langen Blättern und legt den Ball ins Gemüsegitter. Lachend heben Lorenzo und Cheikh die Kisten an. Die Ernte ist beendet, und gemeinsam gehen sie zum Traktor. Den Kohl gilt es nun, zusammen mit dem auf anderen Feldern geernteten Salat und Spinat, zu waschen, die Pakete für die Lieferung vorzubereiten und den Lieferwagen zu beladen.

Barikama ist ein Verein, der 2011 von einer Gruppe junger Afrikaner gegründet wurde. Viele von ihnen nahmen am Aufstand in Rosarno im Jänner 2010 teil. Damals protestierten Hunderte von afrikanischen Arbeitern, die in den Zitrushainen der Gegend ausgebeutet wurden, weil erneut ein Kollege bei einem rassistischen Angriff schwer verletzt worden ist. Damals brachen sie zum ersten Mal das Schweigen über die Bedingungen der eingewanderten Arbeiter auf den italienischen Äckern. Bereits auf ihrem Weg nach Rom hatten sie Erfahrungen mit gegenseitiger Unterstützung und Solidaritätsnetzwerken gemacht. So beschlossen sie damals, ein Projekt zu starten, das zumindest eine gewisse Unabhängigkeit garantieren sollte.

Seitdem sind zehn Jahre vergangen, und es ist ihnen gelungen, in Casale di Martignano, am Ufer des gleichnamigen Sees, 35 km von der Hauptstadt entfernt, eine Genossenschaft aufzubauen, die Joghurt und Gemüse produziert. Für sie ist das nicht bloß eine Arbeit, sondern auch eine Erlösung von der Ausbeutung, eine Solidaritätsinitiative. Es ist ein soziales Projekt, das durch Praktika und Arbeitsverträge auch junge Italiener mit Asperger-Syndrom einbezieht. So auch Lorenzo aus Rom, der seit fast zwei Jahren jeden Dienstag in Martignano arbeitet. All dies kommt im Namen der Genossenschaft zum Ausdruck: „Barikama“ ist ein Wort in Bambara, einer westafrikanischen Sprache, das eine bestimmte Art von „Stärke“ meint, die am treffendsten mit „Widerstand“ übersetzt wird. Ihr Lager und den Hauptsitz hat die Kooperative in Pigneto, einem von Roms historischen Arbeitervierteln. Um sieben Uhr morgens, der Himmel beginnt sich allmählich zu klären, betritt Modibo zum Frühstück die Bar an der Ecke und grüßt die Anwesenden. „Probieren Sie das mit Äpfeln!“, empfiehlt der Barista und zeigt auf die Croissants.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung