6775407-1969_20_01.jpg
Digital In Arbeit

Es wird kein Wahlgeschenk

Werbung
Werbung
Werbung

Mit viel Optimismus arbeitete man von österreichischer Seite im Vorjahr an der Südtirolfrage. Spätestens nach der Rede des Südtiroler Landeshauptmannes Silvio Magnago vor dem Südtiroler Volksparteikongreß in Bozen aim vergangenen Wochenende scheint dieser Optimismus jedoch endgültig passe zu sein. Hoffte man in der ÖVP-Älleinregierung noch, man werde als Schlager für die Wahlen im kommenden Frühling im letzten Ragierungsjahr einen positiven Abschluß der Südtirolgespräche verkünden können, so äußerte sich Magnago am Wochenende wesentlich pessimistischer, wenn er meint: „Weder das Paket noch der Operationskalender sind derzeit gesprächsreif.“

Dabei hatte man gerade mit diesem politischen Erfolg bei der ÖVP so sehr gerechnet und auch gehofft, die Unterstützung des Südtiroler Landeshauptmannes und seiner Partei auf jeden Fall in der Tasche zu haben. Der Politiker Magnago aber merkte auf Grund der Tatsache, daß

• 111 weiße Stimimzeltiteln abgegeben wurden,

• nur 78 Prozent gültige Stimmen für Magnago waren

• und schließlich den Paketgegnern Senator Dr. Peter Brugger sowie Landesrat Dr. Joachim Dalsass als stellvertretenden Obmännern der Vorzug vor Magnano-Freunden gegeben wurde, daß er vorerst diarangehen müßte, seinen eigenen Stand in der Partei zu festigen und sein Image als unabhängig gegen Wien aufzubauen, bevor er der ÖVP Wahlkampfunterstützung geben kann.

Denn vor allem der Denkzettel, den Magnago durch die Nichtwahl der von ihm vorgeschlagenen Kandidaten für den stellvertretenden Obmann, Albgeordneten Dr. Karl Mit-terdorfer und Landesrat Dr. Alfons Benedikter, erhalten hatte, zeigte ihm, daß man in seinem Land nicht so optimistisch dachte, als dies am Wiener Ballhausplatz im vergangenen Jahr und in den ersten Monaten 1969 der Fall war. Wie sehr Magnago nun künftighin mit seinem eigenen Schicksal zu tun haben wird und sich daher 'auf keine Kompromisse einlassen kann, mag aus den Äußerungen des Landeshauptmannes hervorgehen: „Die Stimmen, die mir nicht gegeben wurden, sind der Ausdruck einer Opposition gegen das Paket und gegen die Art, wie dieses jetzt verankert werden soll.“ Den Vorwurf, mit Wien und Rom Geheimpolitik zu treiben, weil er Angst vor dem Urteil der Öffentlichkeit habe, wies Magnago schärfstens zurück. Er spielte gleichsam zwei Schwarze Peter den Verhandlungspartnern Österreich und Italien ziu, da er feststellte, entscheidende Ver-kandlungsergebnisse bzw. was überhaupt veröffentlicht werde, könnten nur diese beiden Staaten entscheiden. Die Südtiroler seien bloß beigezogen und trügen daher nur formelle Verantwortung für die Gespräche. An eine kurzfristige gute Lösung noch im heurigem Jahr und damit vor den Natiomalratswahlen in Österreich glaubt man aber inzwischen weder in Wien noch in Rom.

In Italien hat man durch die politische Entwicklung der letzten Monate und die Unruhen große andere Probleme, so daß nicht anzunehmen ist, daß das Südtirol-problam dort mit besonderer Aktivität behandelt wird. Es fätllit hiebet noch auf, daß gerade in den letzten Monaten großes Schweigen auf beiden Seiten der Verhandlungspartner an Stelle des vorher gezeigten Optimismus getreten ist.

Durch die Unruhen in Italien aber, an denen extreme Bewegungen der Linken starken Anteil haben, will man in der römischen Regierung, dem Kabinett Rumor, weiteren Schwierigkeiten mit extremen Parteien nach Möglichkeit aus dem Wege gehen. Aber gerade eine Lösung der Südtirolfrage bzw. der Abschluß einer Ubereinkunft würde sicher auch wieder Unruhen rechtsradikaler Parteien bringen, so daß das Kabinett Ruimor einem stärken Druck von beiden extremistischen Seiten ausgesetzt wäre. Die eher unruhige Gesamtatmosphäre, in der sich die italienische Politik des J'ahres 1969 befindet, deutet mehr darauf hin, daß von Rom keine schnelle Lösung zu erwarten ist, sondern daß man lieber die sachlichen Beamtengespräche in Ruhe weiterführen will. Magnago stellt zwar selbst fest, daß die Regierung Rumor zu den seinerzeitigen Abmachungen zwischen Ministerpräsident Maro und ihm sowie zu einer positiven Lösung stehe, aber es bleibe offen, ob diese positive und grundsätzliche Einstellung auch von reellen Taten gefolgt sein werde.

In Wien dagegen würde die Zeit für einen Abschluß der Südtirolgespräche vor den Wahlen ebenfalls knapp werden. Denn auch für die ÖVP und ihr Regierungskabinett stehen einige Probleme ins Haus. Will sie nämlich eine schnelle Lösung des Südtirolproblems, um einen Wahlschlager zu haben, erzwingen, so könnte die ÖVP sich selbst in die gefährliche Situation manövrieren, daß gegen eine solche Lösung nicht nur die SPÖ und die FPÖ als parlamentarische Opposition auftreten, sondern daß vor allem die Bruderpartei in Südtirol unter der Führung Magnagos gegen eine solche Lösung (weil sie die Interessen der Südtiroler Volksgruppen vernachlässigt) zu Felde zieht. Denn eines ist klar: Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Silvio Magnago nach dem 11. Mai kann aus eigener politischer Rücksicht gegenüber Wien nicht mehr so viel Gefolgschaftstreue beweisen, wie der Magnago vor dem 11. Mai. Denn nur allzuleicht könnte er die Südtiroler Volkspartei aufsplittern, da es in deren Reihen ohnehin sehr gärt. So hat der Parteitag der Südtiroler Volkspartei vielleicht die wertvolle Erkenntnis gebracht, daß es besser ist, um einer guten Lösung willen noch einiges Wasser die Etsch hinunterfließen zu lassen, anstatt den Vorwurf eines Tages auf sich ziehen zu müssen, um eines Wahlschlagers willen eine ganze Volksgruppe verkauft zu haben.

Magnago selbst formuliert dies sehr klar: „Wenn wir auf dem Standpunkt stehen, es muß unbedingt ein Abschluß vor den österreichischen Wahlen stattfinden, wäre dies für uns schlecht. Wenn die Lösung aber gut wäre, wäre auch gegen eine schnelle Lösung nichts einzuwenden.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung