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Aus Ferne und Vergangenheit

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Wer einmal die einfachen bemalten Holzskulpturen aus Nigeria gesehen hat, die Motive der Heiligen Schrift oder die Predigt St. Franziskus’ an die Vögel sichtbar machen, und in denen sich das kindliche Gemüt ihre’r schwarzen Schöpfer in einer Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit ausspricht, die bereits Kunst ist, dem wird jede Begegnung mit afrikanischer Kunst zur Wiedersehensfreude werden. So muß auch die in zwei Sälen des Museums fürVölkerkunde neu eröffnete Sonderschau „Kunst und Kunstgewerbe Afrikas" begrüßt werden, die nicht nur einen Einblick in Wesen und Denkart der Neger gewährt, sondern auch davon überzeugt, daß die Kunst in ihren „primitiven" Anfängen keine routinierten Machwerke kennt, sondern nur echt und aufrichtig sein kann. Während heute manches, was in der Form der Kunst erscheint, nur gelerntes „Kunststück" ist, erlangt in jenem Frühstadium, da Leben und Kunst noch eine Einheit bilden, auch das Kunstgewerbliche — Kalebassen, Tonflasęhen, Dosen, Schüsseln, Schnitzereien, Tabakpfeifen, Matten, Keramiken — eine tiefere Bedeutung, die den einzelnen Gegenstand über seine bloß funktionalistisch nützlichen Eigenschaften in den Lebenskreis der Jäger, Hirten und Fischer einordnet. So läßt sich auch keine feststehende Grenze finden zu den Gegenständen, die wir heute ins Gebiet der „reinen Kunst" verweisen würden, und die in ihrer Ursprungskultur kultischen Zwecken dienten: Masken. Helme, Figuren, Porträtköpfe der zentralafrikanischen Könige, die alle mit gleicher Unmittelbarkeit Nachricht von der ungebrochenen Vitalität und Lebensfreude ihrer Schöpfer geben.

Es ist erfreulich, daß das Museum für Völkerkunde einzelne Stücke aus seinen Beständen herauslöst und jeweils nach neuen und lebendigeren Gesichtspunkten ordnet als die nach Kulturen und geographischen Gebieten gegliederten Sammlungen. Auf diese Weise werden bestimmt weitere Kreise für die Eigenart der primitiven Völker interessiert werden können. Freilich ist das Ziel noch nicht erreicht, und es bleibt- noch manches zu tun übrig. So sollten die Räume der Sonderschau vor allem günstiger gelegen sein und müßten sich schon äußerlich deutlich von den übrigen Museumsräumen unterscheiden. Hier dürfte Weniger nach Vollständigkeit getrachtet werden, sondern man müßte versuchen, den Beschauer „überfallsartig" durch die Lebendigkeit der Gestaltung zu überraschen und zu fesseln. Bunte Uebersichtskarten und Skizzen, Bilder und Hinweise müßten gleich auf den ersten Blick das Wesentliche erkennen lassen und zu näherer Betrachtung einladen. Zu einer solchen Gestaltung wird aber vielleicht die gleiche Freude am Spielerischen nötig sein, wie sie die gezeigten Arbeiten verraten. Eine Ahnung dessen, was in dieser Hinsicht alles geleistet werden könnte, gibt ein Winkel der besprochenen Ausstellung: Hier finden wir auf dem Hintergrund einer Bastmatte Gegenstände täglichen Gebrauches, die damit gleichsam wieder in ihren Alltag gestellt erscheinen. Zwei von unten beleuchtete schwarze Figuren kommen durch die erzielte Kontrastwirkung besonders zur Geltung. Auch die Schaffung von Panoramen — die etwa das Karl-May- Museum in Radebeul sehenswert machen — wäre zu erwägen; Farbbilder, wie sie jetzt der Afrikaforscher Ernst A. Zwilling an einem Vortragsabend der Geographischen Gesellschaft zeigte, könnten da sicher brauchbare Vorlagen abgeben.

Eine kleine, aber in ihrer Art vorbildliche Ausstellung ist jetzt im Niederösterreichischen Landesmuseum in der Herrengasse zu sehen: „Urzeitlicher Kupferbergbau im Raxgebiet." Hier erscheinen viele von den Forderungen erfüllt, die an populärwissenschaftliche Ausstellungen zu stellen sind. Alte Stiche aus dem 16. Jahrhundert berichten vom Schürfen und vom Abbau der Erze durch Feuersetzen, von Transport, Waschen, Rösten und Schmelzen der Erze im Mittelalter, Skizzen und Schemata zeigen die Erzgewinnung der Urnenfelderkultur, 1200 bis 800 vor Christus im Gebiet der Rax, Röstbette, Schmelzofen und Schmelzgrube sind in verkleinertem Maßstab geoplastisch dargestellt, Gesteinsproben und Uebersichtstafeln ermöglichen einen Einblick in die Bodenzusammensetzung und den Erzabbau, Karten und Photographien berichten von den urgeschichtlichen Grabungen, die unter Leitung von Universitätsprofessor Dr. Mayrhofer und Kustos Dr. Hampel standen, und vor einigen Jahren durch den zufälligen Fund eines Bronzemessers in Prein an der Rax angeregt wurden. So müssen Ausstellungen, die uns in Ferne und Vergangenheit führen sollen, gestaltet sein: nach wenigen Minuten ist einem der Vorgang der Erzgewinnung durch Rösten, Zusatz von Holzkohle und wiederholtem Schmelzen so klar, als „wäre man dabeigewesen". Und man bekommt ernsthaft Lust, selbst bei urgeschichtlichen Grabungen dabeizusein, um aus nächster Nähe nachzuerleben, wie in der Bronzezeit am Fuße der Rax das Erz gebrochen und zu Bronze geschmolzen wurde.

Wieland Schmied

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