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Barlachs Botschaft

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Am 5. Juli wird im Museumspavillon des Mirabellgartens in Salzburg die Ausstellung „Das Werk Ernst Barlachs“ eröffnet. Vor zwei Jahren war hier eine Käthe-Kollwitz-Ausstellung zu sehen, und noch für diesen Sommer kündigt die Galerie Welz eine Schau mit Bildern von Otto Dix an. Salzburg macht sich damit zum Vermittler für einige bedeutende Künstlerpersönlichkeiten dei deutschen Expressionismus, gegenüber deren Werk gerade in Österreich noch immer eine gewisse Fremdheit besteht. Aber was sich damals angesichts der so eindringlich-humanen Kunst von Käthe Kollwitz ereignete, nämlich spontane Zustimmung und Ergriffenheit eines starken Besucherstromes, wird man in Salzburg auch dem Werke Barlachs gewiß nicht vorenthalten.

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Am 5. Juli wird im Museumspavillon des Mirabellgartens in Salzburg die Ausstellung „Das Werk Ernst Barlachs“ eröffnet. Vor zwei Jahren war hier eine Käthe-Kollwitz-Ausstellung zu sehen, und noch für diesen Sommer kündigt die Galerie Welz eine Schau mit Bildern von Otto Dix an. Salzburg macht sich damit zum Vermittler für einige bedeutende Künstlerpersönlichkeiten dei deutschen Expressionismus, gegenüber deren Werk gerade in Österreich noch immer eine gewisse Fremdheit besteht. Aber was sich damals angesichts der so eindringlich-humanen Kunst von Käthe Kollwitz ereignete, nämlich spontane Zustimmung und Ergriffenheit eines starken Besucherstromes, wird man in Salzburg auch dem Werke Barlachs gewiß nicht vorenthalten.

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Barlachs Skulpturen, seine Monumente und „Hölzer“, waren ebenso wie seine Zeichnungen länger als ein Dezennium für die Öffentlichkeit verschwunden. Wie man es etwa heute vor den Faistauer-Fresken im Foyer des Salzburger Festspielhauses kaum mehr begreift, daß eine solche subtile Formensprache einmal als „entartet“ bezeichnet werden konnte, so rückt die inzwischen erfolgte Entwicklung — auch des Sehens beim Betrachter — viele der plastischen Gestalten Barlachs in ihrem der Gegenwart entrückten Rhythmus, in ihrer ringenden Verquickung von Erdnähe und Jenseitigem, nunmehr schon in die Nähe klassischer Gültigkeit^ und Harmonie (so zum Beispiel „Der Zweifler“ in der Modernen Galerie des Kunsthistorischen Museums Wien).

Sicher, Barlachs Figuren, seine Mühseligen und Beladeneh, die Leidenden, Verzweifelten, Hoffenden, die Wartenden und Lauschenden waren „den Blickgewohnheiten der Leute zuwider“, wie er selbst empfand. Man stempelte ihn zum „Plastiker des Untermenschen“; aber es gab auch ein Häuflein von Getreuen, die in aller Notzeit zu ihm standen. Dazu gehörte Theodor Heuss, der spätere Bundespräsident; er , würdigte im Todesjahr Barlachs 1938 dessen „großes und sicher gewordenes Menschentum“ in einem Nachruf. Dort heißt es auch: „Allerhand Mißverständnis hat diesen Mann aus holsteinischem Handwerker-, Pfarrerund Arztgeschlecht für einen .slawischen' Einbruch in die deutsche Kunst gehalten. Eine Rußlandreise, die wohl kaum zwei Monate dauerte, hatte ihn schicksalsvoll angeregt, ein paar Gestalten des russischen Volkslebens in ihrer menschlichen Typik zu bilden. In ihnen fand er zunächst die Form seines Ausdrucks, sie machten ihn bekannt — und er blieb fast auf die vereidigt... Die meisten sahen auf das spätere Werk immer mit den Augen, die von jener frühen Plastik erzogen waren. Der Mann selber aber saß inzwischen in der Verlassenheit eines mecklenburgischen Landistädtchens. Auf die Skulptur, die ihn dort umgab — niederdeutsche Gotik — war zu schauen, wollte man ihn in einer bildnerischen Tradition finden und wohl auch in der seelischen“ (zitiert

in der grundlegenden Monographie „Ernst Barlach — Das plastische, graphische und dichterische Werk“ von Carl Dietrich Carls, mit 178 Abbildungen, Rembrandt-Verlag Berlin 1968).

Barlach hat, das wird man heute erkennen müssen und das macht ihn auch für Österreich interessant, uns den östlichen Menschen in der Kunst nahegebracht, ihn in unsere Sprache übersetzt. Aber er hat schließlich in seinem gesamten Bildwerk imimer den Menschen in die Mitte des Blickfeldes gestellt, als Grundthema bewegte ihn das Woher und Wohin. Seine Humanität weiß noch von paradiesischer Sehnsucht, und auch sein dichterisches Werk; seine Dramen, bezeugen das unaufhörliche Ringen um Gott. Er verstand die Kunt als die Einkehr in ein Höheres. Der umfangreiche Briefband (Ernst Barlach — Die Briefe I, 1883 — 1924“, R. Piper & Co. Verlag, München 1968), in dem sein Künstlerleben einen geradezu dokumentarischen Niederschlag findet, ist die Spiegelung eines von tiefem Ernst, von schicksalhafter Einsamkeit und bewußter Religiosität geprägten Lebens.

Am 2. Jänner 1970 wird man des 100. Geburtstages von Ernst Barlach zu gedenken haben. Die Ausstellung im Museumspavillon des Salzburger Mirabellgartens eröffnet die Reihe der Barlach-Gedächtnisausstellun-gen. Da 1970 auch als Beethoven-Jahr gefeiert wird, mag man sich daran erinnern, daß das Hauptwerk von Barlachs letzten Schaffensjahren, der „Fries der Lauschenden“, ursprünglich für ein Beethoven-Denkmal konzipiert worden war. „Die Träumende“, „Die Erwartende“, „Die Pilgerin“, „Die Tänzerin'V Der Gläubige“, ,JJ)er Begnadete“ usw. —, sie alle lauschen verzaubert der Botschaft einer freudvollen, tröstenden Musik. So entbehrt es nicht eines tieferen Sinnes, Ernst Barlach im Festspielsomimer in Salzburg zu begegnen.

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