7128737-1997_16_09.jpg
Digital In Arbeit

Das islamische Opferfest

Werbung
Werbung
Werbung

Am Ende der Hadsch, der alljährlichen Pilgerfahrt nach Mekka, feiern Muslime auf der ganzen Welt das Schlachtopferfest, türkisch „Kurban", arabisch „Id ul-Adha" genannt. Da der islamische Kalender sich nach dem Mond richtet, wandern die Festtage durch das Jahr, so daß heuer das Kurbanfest in die Zeit vom 18. bis 21. April fällt.

Mittelpunkt des Festes ist die Opferung eines Tieres, meistens eines Schafes, das durch Schächtung getötet wird, also durch die schnelle Dufchtrennung von Luftröhre, Speiseröhre und Halsschlagader. Hinterher wird das Fleisch an die Armen in der muslimischen Gemeinschaft verteilt. Tierschützer im Westen kritisieren diesen Ritus immer wieder als barbarische Tierquälerei. Und tatsächlich ist der Anblick des blutüberströmten Schlachtplatzes nicht gerade dazu angetan, abendländische Bedenken gegen diesen archaisch anmutenden Ritus zu mildern.

Auch gläubige Muslime räumen ein, daß manchmal die tiefe spirituelle Dimension von Kurban bei den Opfernden verlorengegangen ist. Umso wichtiger, an die eigentliche Bedeutung und den Sinn des Schlachtopfers zu erinnern. Das tun vor allem auch die Sufis, die Mystiker des Islams, die mittels meditativer und ekstatischer Übungen versuchen, sich Gott in liebender Hingabe zu nähern.

Das Kurbanfest bezieht sich auf den Propheten Abraham, der als Stammvater von allen drei monotheistischen Religionen verehrt wird. Auch im Koran ist festgehalten, wie Allah Abraham auf seine Treue und Opferbereitschaft, also auf seine Liebe zu Gott, prüft.

Laut Sufi-Überlieferung wurde Abraham dreimal geprüft: das erste Mal sollte er sein Leben opfern, um seine Hingabe an Gott zu beweisen. Er tat es und wurde durch göttliches Eingreifen gerettet. In diesem Opfer begegnete und überwand Abraham die Todesangst, die jedem Menschen innewohnt und der sich jeder stellen sollte.

Das zweite Mal forderte Allah Abraham auf, in seinem Namen seine Schafe, also seine materielle Grundlage zu verkaufen. Abraham war in seiner Hingabe an Gott bereit, seinen gesamten Besitz herzuschenken. Diese Prüfung soll daraufhinweisen, materiellen Besitz mit anderen Menschen auf der Basis gelebter Gottesliebe zu teilen.

Das dritte Mal forderte Allah von Abraham, seinen Sohn Ismael, der von seiner Gattin Hacer stammte, zu opfern. (Hier zeigt sich der Unterschied zwischen islamischer und christlicher Überlieferung: während die jüdisch-christliche Tradition sich auf Isaak, Sohn der Sarah beruft, sehen die Muslime Ismael, Sohn der Magd Hagar als ihren Ahnherrn an.) Abraham sollte unter Beweis stellen, daß seine Liebe zu Gott größer sei als seine väterliche Liebe und seine Hoffnung auf zahlreiche Nachkommenschaft. Abraham war bereit, das Opfer durchzuführen, als Allah eingriff und durch den Erzengel Gabriel einen Hammel herabsandte.

Es geht um die Bereitschaft des Muslim, in seiner Liebe zu Gott alles zu opfern, was ihm wert und teuer ist. Bis zur völligen Selbsthingabe. Dies ist die eigentliche Bedeutung des Kur-banfestes für den Gläubigen, wobei der Akt der Hingabe durch die Form des Tieropfers ermöglicht wird. Letztlich geht es darum, daß sich der Mensch mit seinem eigenen Tod auseinandersetzt und seine Todesangst transzendiert. Gemäß dem Prophetenwort: „Stirb, bevor du stirbst." Das Opfertier gibt sich anstelle des Menschen Gott hin und erfährt damit die höchste .Erfüllung.

Das Christentum heiligt diesem religiösen Mysterium zu Ostern, dem Fest des Todes und der Auferstehung, in Erinnerung, daß Jesus als Lamm Gottes - stellvertretend für die Menschheit - starb.

Hilfe für das Paradies

Eine weitere Dimension des Schlachtopfers ist die karitative Bedeutung. Wohlhabende haben an diesem Tag die Gelegenheit, ihren Reichtum mit den Armen zu teilen, um so einen sozialen Ausgleich herzustellen. Laut sufistischer Lehre ist Reichtum kein Zeichen von Tugend oder Auserwähltheit, genausowenig wie Armut als Folge von Faulheit oder Untauglichkeit verstanden wird. Die Opferbereitschaft der Gläubigen drückt sich im Islam durch zahlreiche Stiftungen, Schenkungen und Ar-menausspeisungen aus. Bei Kurban wird das geschlachtete Tier gleichermaßen unter den Gläubigen aufgeteilt. Ein gemeinsames Fest wird gefeiert, die Pilger kommen aus Mekka zurück, man besucht Verwandte und Freunde und bittet diese um Verzeihung für schlechtes Verhalten.

Denn das Tieropfer beinhaltet auch die Wiedergutmachung begangener Sünden. Der religiöse Gedanke dahinter: Am Weltende, dem Tag des Gerichtes, an dem der Gläubige die schmale Sirat-Brücke überschreiten muß, die ihn entweder ins Paradies oder in die Hölle bringt, kommt das geopferte Tier und hilft, ins Paradies zu gelangen.

Natürlich wird das schönste und beste Tier geopfert, gemäß der Bereitschaft, das Liebste zu opfern. Oft wird das Schaf zuvor unter besondere Aufsicht gestellt, liebevoll gepflegt und ernährt. Zuschauer sind oft beeindruckt, mit welcher Würde und Ruhe die Tiere in den Tod gehen, so als wüßten sie, daßie sich für Allah hingeben.

In Österreich führen sowohl orthodoxe Muslime als auch verschiedene Sufi-Gruppen türkischen, persischen, ägyptischen oder marokkanischen Ursprungs das Schlachtopfer durch.

Die Autorin ist Journalistin beim ORF.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung