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Früher Herbst

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Die geringe Überzeugungskraft, die die Herbstausstellung der Wiener Secession im ganzen gesehen ausstrahlt, ist ein bestürzendes Phänomen, das von jener Krisensituation der Kunst kündet, die keineswegs auf Österreich beschränkt ist. In seinem einsichtigen Vorwort zum Katalog spricht der Präsident der Secession, Prof. Meissner, mit Recht von den „entschärften Revolutionen“ und dem „inhaltsleeren Avantgardismus“, der „permanent“ geworden ist und „akademisch“. Nur wenige besitzen heute noch den Mut, die Geduld und die Einsicht, an bildnerischen Gesetzen festzuhalten, nach ihnen zu suchen und zu streben, die künstlerische Schöpfung im Einklang mit einem inneren Reifungsprozeß menschlicher und geistiger Entwicklung zu erleben und zu verwirklichen. Das „Neue“ kann nicht versucht oder gewollt werden, es stellt sich — meist unmerklich — von selbst als Produkt langer und mühsamer Arbeit ein, es kann nur das Ergebnis künstlerischer Wahrheit und Aufrichtigkeit sein und erst dann Bestand haben.

Um so sinnloser ist es, die Scheinrevolutionen von gestern und vorgestern nachzuvollziehen und nicht zu erkennen, wo die wirklichen Umwälzungen der Kunst unseres Jahrhunderts liegen — die noch immer die Anschauung der Form und des Raumes betreffen. Der „permanente Avantgardismus“ hat, auf auch nur geringe Dauer gesehen, wie wir die wenigen vergangenen Jahre erkennen konnten, keine Chancen, er entwürdigt die Kunst zum Geschäft, zur Spekulation mit der „Mode“. Dennoch ist der Herbstausstellung der Secession Erfreuliches nicht abzusprechen. Es liegt in dem fühlbar werdenden Suchen nach Qualität und der Toleranz gegenüber den verschiedensten Bestrebungen. Und es mangelt nicht an einigen eindrucksvollen Leistungen, unter denen bei den Malern in erster Linie die Bilder von Grete Yppen, Walter Eckert, Karl Kreuzberger, und je ein Bild von Josef Libesky („Stilleben mit Fisch“), Franz Reiter („Strandkiefern“), Therese Schütz-Leinfeliner („Zwei Frauen“), Karl Stark („Blumen“), Georg Eisler („Akt“), Oskar Matulla („Lobau“) hervorzuheben sind. Bei den Bildhauern ist besonders Josef Pillhofer mit seiner großen Holzfigur zu nennen, dann die sehr geschmackvollen dekorativen Eisenreliefs von Elisabeth Turolt, die Figuren von Otto Eder, der „Kopf“ und die „Katze“ von Rudolf Kedl und der „Weibliche Torso“ von Franz Fischer, der nur durch die unglückselige Bemalung leidet.

In der Galerie „Synthese“, am Graben, zeigt Josef Svoboda sehr locker und atmosphärisch gemalte Landschaften, die nur nach einer Vertiefung der Form- und Rquntqnschauung verlanget! .besunders gelungen „Am Kamp“, „Felder bei Tulbing“, „Mühlwasser“, „Caorle“, „Biberhaufen“ — und Franz Milan Wirths sehr saubere, klare, dekorative Graphiken, die durch ihre empfindungsvolle Vereinfachung und Komposition bestechen.

Herbert Wasenegger stellt in der Galerie „Autodidakt“ Plastiken und Graphiken aus. Während die Reliefs trotz geringer Differenzierung durch ihren Formenzusammenhang interessant und überzeugend erscheinen, und die Steinplastiken sehr beachtliche Ansätze besitzen, wirken die Tonplastiken zu wenig geformt und klar. Die ausgestellten Zeichnungen beweisen, was hier noch durch intensive Selbstdisziplin und Schulung nachzuholen wäre. Die großen dekorativen Holzschnitte sind wirkungsvoll.

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