6764794-1968_30_04.jpg
Digital In Arbeit

HERBERT JANSKY NACHHALL AUS DEN DERWISCHKLÖSTERN

Werbung
Werbung
Werbung

Zwischen den Rosenstöcken seines schönen Hietzinger Gartens und den kostbaren Buchara- und Täbris-Teppichen seines Arbeitszimmers feierte Universitätsprofessor Dr. Herbert Jansky nun seinen 70. Geburtstag. Als international anerkannter Orientalist wurzelt er in den Traditionen Hammer-Purgstalls. Eine rundum runde Persönlichkeit: humanistische Geistigkeit erwächst aus vitaler Sanguinik, hinter „steirischer G’radheit" verbirgt sich Naturmystisches. Jan- skys heimliches Ideal: „Kef" auf einer Bergwiese. Doch zu jenem türkischen Wunschzustand völliger Gelöstheit und Ruhe fehlt ihm meist die Zeit. So sehr, daß er, wie er selbst sagt, „nur im Nebenberuf“ Gelehrter ist, in der Hauptsache aber Praktiker.

Praktiker war Herbert Jansky, der Admonter Wiener, mit seinem Talent, Fremdsprachen „aufzusaugen“, allerdings schon im Gymnasium. Als ihm zufällig ein griechisches Theaterprogramm in die Hände kam, ließ er sich spontan zum selbständigen Studium des Neugriechischen anregen. Der Sechzehnjährige verbrachte die Sommerferien mit persischen und arabischen Grammatiken. Bald bezog Jansky auch das Türkische ein und vor der Matura war er schon so weit, daß er seinen ersten persischen Historiker mühelos im Original lesen konnte.

An der Wiener Universität inskribierte er islamische Sprachen, wie das Fach damals hieß. Der junge Dr. phil. hielt ab 1922 Kurse in der allgemein zugänglichen Lehranstalt für orientalische Sprachen, gleichzeitig ergaben sich auch enge Kontakte mit der Österreichisch-Orientalischen Handelskammer. 1933 habilitierte sich der Dolmetsch als Dozent für Turkologie, während des Krieges hatte er die beiden divergierenden Positionen eines a. o. Universitätsprofessors und Gefreiten der Luftwaffe inne.

Janskys besonderes Interesse galt von Anfang an der orientalischen Geschichte und Dichtung. Seine Publikationen spiegeln dies deutlich wider: Auf die 1926 veröffentlichte Dissertation über die Eroberung Syriens durch Sultan Selim I., folgte 1930 der I. Band der wissenschaftlich ausgewerteten und kommentierten Sammlung von Volksliedern der Turkvölker Rußlands. Im Verlauf weniger Jahre erschienen zwei weitere Bände. Unter den zahlreichen kürzeren Arbeiten sind vor allem die Abhandlungen über Politik und Regierungssystem der Seldschukensultane des Mittelalters kennzeichnend für das Forschungsgebiet ihres Verfassers. Sinngemäß schlossen in jüngster Zeit die Beiträge über das Osmanische Reich für das großangelegte „Handbuch der Europäischen Geschichte“ an.

Seine linguistischen Leistungen vollends weisen Jansky als Systematiker von äußerster Präzision und Beharrlichkeit aus: als Kemal Atatürk in seinem Land die Lateinschrift einführte, ergab sich die Notwendigkeit, für den Türkischunterricht im deutschsprachigen Raum ein neues Lehrbuch auszuarbeiten. Jansky unterzog sich dieser Aufgabe — und bald war seine Türkische Grammatik für ganz Europa und auch die USA das Standardwerk ihrer Richtung. Mittlerweile mehrfach neu aufgelegt ist sie es bis heute geblieben.

Ergänzung dieser Grammatik ist das 1960 publizierte umfassende deutsch-türkische Wörterbuch, während ein deutsch-persischer Diktionär der Handels- und Wirtschaftssprache vorläufig nur in Form eines umfangreichen Zettelkatalogs existiert. „Der leidige Zeitmangel“ kommentiert der vielbeschäftigte Praktiker, der zudem seit sieben Jahren auch die Orientakademie leitet.

Die Versenkung in die islamische Geisteswelt führte Jansky zur Derwischmystik, eine große Zahl von Zeugnissen religiöser Lyrik aus dem Zeitraum vom 14. bis zum 20. Jahrhundert übertrug er ins Deutsche. „Ich habe die Gedichte so ausgewählt, daß ein möglichst geschlossenes Bild dieser spirituellen Eigenart entsteht.“ Wobei Jansky die wissenschaftliche Forderung nach absoluter Wahrung des Metrums und der spezifischen Reimschemen orientalischer Poesie mit der von hoher nachgestalterischer Sprachkraft getragenen Wiedergabe des Inhalts in harmonischen Einklang brachte. So steht der Übersetzer Jansky in der Nachfolge Friedrich Rückerts, den er an Dynamik des Wortes noch übertrifft. „Tief in meiner Brust eine Stimme sprach: Wer der Liebe entsagt, geht an Gott vorbei! Verwehrt ihm sein Teil, entzieht ihm das Mahl! Wer der Liebe entsagt, geht an Gott vorbei!“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung