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HERBERT JANSKY / IM „NEBENBERUF GELEHRTER

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Im Jänner nimmt die neu gegründete Österreichisch-Türkische Gesellschaft ihre Tätigkeit auf. Als Vizepräsident, der nach fachlichen Gesichtspunkten und nach seinem wissenschaftlichen Rang gewählt wurde, fungiert Universitätsprofessor Dr. Herbert J an sky, international bekannter Orientalist, obgleich er, wie er selbst sagt, nur im „Nebenberuf Gelehrter, in der Hauptsache aber Praktiker, nämlich Gerichtsdolmetsch und Mitarbeiter wirtschaftlicher Institutionen ist.

Praktiker war Jansky, Geburtsjahrgang 1898, allerdings schon auf der Schulbank des Hietzinger Gymnasiums. Nachdem er privatim ein Lehrbuch der italienischen Sprache „aufgesogen hatte, ließ er sich von einem griechischen Theaterprogramm, das ihm zufällig in die Hände kam, spontan zum selbständigen Studium des Neugriechischen anregen. Der Sechzehnjährige verbrachte die Sommerferien mit persischen und arabischen Grammatiken, bezog bald auch das Türkische ein und vor der Matura war Jansky schließlich so weit, daß er seinen ersten persischen Historiker mühelos im Original lesen konnte.

An der Wiener Universität inskribierte er Islamische Sprachen, wie das Fach damals hieß. Der junge Dr. phil. hielt ab 1922 Kurse in der allgemein zugänglichen Lehranstalt für orientalische Sprachen, gleichzeitig ergaben sich Kontakte mit der Österreichisch-Orientalischen Handelskammer. 1933 habilitierte sich der Dolmetsch als Dozent für Turkologie, während des Krieges hatte er die beiden divergierenden Positionen eines a. o. Universitätsprofessors und Gefreiten der Luftwaffe inne.

Janskys besonderes Interesse galt von Anfang an der orientalischen Geschichte und Dichtung. Seine Publikationen spiegeln dies wider: auf die 1926 veröffentlichte Dissertation über die Eroberung Syriens durch Sultan Selim I. folgte 1930 der erste Band der wissenschaftlich ausgewerteten und kommentierten Sammlung von Volksliedern der Turkvölker Rußlands, die ursprünglich in einem Kriegsgefangenenlager in Eger aufgenommen worden war, im Verlauf weniger Jahre erschienen zwei weitere Bände. Unter den zahlreichen kürzeren Arbeiten sind vor allem die Abhandlungen über Politik und Regierungsformen der Seldschuken-Sultane des Mittelalters kennzeichnend für das Forschungsgebiet ihres Verfassers.

Seine linguistischen Leistungen vollends weisen Jansky als Systematiker von äußerster Präzision und Beharrlichkeit aus: Als Kemal in der Türkei die Lateinschrift einführte, ergab sich die Notwendigkeit, für den Türkischunterricht im deutschsprachigen Raum ein neues Lehrbuch auszuarbeiten. Jansky unterzog sich dieser Aufgabe — binnen kurzem wurde seine Türkische Grammatik für ganz Europa und auch die USA zum Standardwerk ihrer Art. Sinngemäße Ergänzung dieser Grammatik ist das 1960 erschienene große Deutsch-Türkische Wörterbuch, während ein Deutsch-Persisches Wörterbuch der Handelsund Wirtschaftssprache vorläufig nur in Form eines umfangreichen Zettelkatalogs existiert, desgleichen ein Deutsch-Neugriechisches Wörterbuch der juristischen und der Verwaltungsterminologie. „Der leidige Zeitmangel“ , kommentiert der vielbeschäftigte Praktiker, der vor drei Jahren auch zum Direktor der neuen Orientakademie bestellt wurde.

Die Versenkung in die islamische Geisteswelt führte Jansky zur Derwisch-Mystik, eine große Zahl religiöser Lyrik aus dem Zeitraum vom 14. bis zum 20. Jahrhundert übertrug er ins Deutsche. „Ich habe die Gedichte so ausgewählt, daß ein möglichst vollkommenes Bild dieser spirituellen Eigenart entsteht. Wobei Jansky die wissenschaftliche Forderung nach absoluter Wahrung des Metrums und der spezifischen Reimschemen orientalischer Dichtung mit der von hoher nachgestalterischer Sprachkraft getragenen Wiedergabe des Inhalts in harmonischen Einklang brachte. So steht der Übersetzer Jansky in der Nachfolge Friedrich Rückerts, den er an Dynamik des Wortes noch übertrifft. Und nicht zuletzt wurzelt er in jener österreichischen Tradition der Orientalistik, die Hammer-Purg-stall vor mehr als hundert Jahren begründete ...

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