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IM STREIFLICHT

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TM „MORGEN" finden wir den überraschenden A Vorschlag eines jungen Kunstpublizisten, der die gesichtlose Stagnation der heutigen österreichischen Architektur überwinden helfen möchte und sich damit gleichzeitig bemüht, auch der Jugend, dem hochbegabten österreichischen Architektennachwuchs, eine Chance gegenüber der „historisierenden" Prominenz zu geben. Er fordert, daß endlich sämtliche eine gewisse Bausumme übersteigenden Neubauprojekte des Staates, der Länder und Städte sowie der Gemeinden in bundesoffenen Wettbewerben ausgeschrieben werden müßten, an denen alle Architekten Oesterreichs teilnehmen könnten, statt daß diese Projekte in kleinen Zirkeln ausgehandelt werden. Die Deutsche Bundesrepublik ist diesen Schritt zum Teil bereits gegangen, und der Erfolg blieb im Anwachsen zeitgerechten Bauens auch nicht aus. Es klingt wie Spott, ist aber durchaus ernst aufzufassen, wenn weiter gefordert wird, daß den Juroren mindestens ein wirklich international anerkannter ausländischer Architekt beigegeben werde, der eine entscheidende Stimme unter dem nur aus Fachleuten zu rekrutierenden Kollegium haben sollte. Es könnte uns dann unter Umständen passieren, daß in Verwirklichung dieses Vorschlages, der von den zuständigen Stellen nicht übersehen werden sollte, ein Auslandsösterreicher zu uns käme. Richard Neutra etwa, der seine epochemachenden Ideen nur in Amerika realisieren konnte, oder Roland Rainer, der als Ordinarius nach Hannover berufen wurde.

A M Ende der vergangenen Spielzeit haben die Wiener Philharmoniker den Beschluß gefaßt, eine internationale Gustav-Mahler-Gesellschaft zu gründen. Im Herbst, mit Beginn der neuen Spielzeit, wird man sich zu überlegen haben, wie und in welchem Umfang man das Motto einer Mahler- Gesellschaft — das nur „Förderung der Werke Gustav Mahlers" heißen kann — in die Tat umsetzt. Hoffentlich nicht, indem man sich begnügt, im Laufe der Spielzeit eine oder zwei Symphonien des Meisters aufzuführen …

CEITDEM Wolfgang und Wieland Wagner in Bayreuth die Werke ihres Großvaters szenisch und regielich radikal „entstaubt" und erneuert haben, ist neues Leben auf dem Festspielhügel eingezogen, und die -Aufmerksamkeit der Kunstfreunde richtet sich wie eh und je nach Bayreuth. Nun hat man, dem Vernehmen nach, die Absicht, Wieland Wagner zu einer Neuinszenierung von Straußens „Elektra" an der Wiener Staatsoper einzuladen. Ein erfreuliches Projekt, das uns die Möglichkeit geben würde, die Regiekunst des Wagner-Enkels kennenzulernen. Gleichzeitig würde die wenig geglückte letzte Neuinszenierung des Werkes durch eine interessantere ersetzt.

C OMMERFRISCHE oder Nylonstrümpfe? Meist ist es, wenn man an den Wiener Plakatwänden vorübereilt stehenbleiben steht nicht dafür auf den ersten und wohl auch zweiten und dritten Blick unklar, wofür ein Anschlag wirbt, der ausgiebig bestrumpfte Frauenbeine präsentiert. Auch bei Dekolletes ist es nicht sicher, denn sie werben gleichermaßen für Badeanzüge und für Rasiercreme. Wir würden dagegen vorschlagen, daß lieber einmal ein bärtiger Seebär für Kosmetika werben sollte als das Dekollete für die Rasiercreme. Was unseren Plakaten in erster Linie fehlt, ist der Humor. Und mit Humor würde alles besser gehen. Seeigel könnten für Ochsenfleisch Reklame machen, Tintenfische für Milch und Seeschlangen für die Presse…

P IN Beweis, daß „moderne Kunst" keineswegs mit „Verantwortungslosigkeit" gleichzusetzen ist, wie es leider hier und da noch immer geschieht, scheint uns die „Charta der Föderation moderner bildender Künstler Oesterreichs" zu sein. „Wir wissen", so heißt es da, „daß jedeKunst zeitlos in ihrer Substanz, aber zeitlich bedingt in ihren Ausdrucksformen ist. Wir bekennen uns daher zu einer unserer Zeit gemäßen modernen Kunst. Wir wissen, daß die Freiheit der Kunst dem Künstler selbst eine Verantwortung auferlegt. Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung, insbesondere bei Werken der bildenden Kunst, welche für die Oeffentlichkeit bestimmt sind.” So wie es keine Freiheit geben kann ohne Verantwortungsbewußtsein, so kann es umgekehrt keine Verantwortung geben ohne Freiheit der Kunst. Es ist erfreulich, daß die Föderationscharta diese Zusammenhänge einmal deutlich ausgesprochen hat.

TN AS Kunsthistorische Museum hat große Pläne: noch im August soll das Münzkabinett Sammlung von Medaillen und Münzen wieder und eine Schau „Das Marienbild" neu eröffnet werden. Im nächsten Jahr werden dann die Schauräume der nördlichen Hälfte des Museums fertig. Einstweilen hat man aus der Not eine Tugend gemacht und die Bestände nicht brach liegen lassen: Die flämischen Schulen wanderten in die Bundesländer, wo Graz „Rubens und seine Zeit" und Klagenfurt „Rembrandt und seine Zeit" zeigen konnte. Auf Wiedersehen im nächsten Sommer in Wien!

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