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Moderne Gobelins
Unter den schwierigsten materiellen Verhältnissen, ohne jede Hilfe von außen und in einem Atelier, in dem ein Photograph der neunziger Jahre leidlich hätte arbeiten können— unter den ungünstigsten Voraussetzungen, die man sich denken kann, haben zwei junge Wiener Maler, Johanna Schidlo und Fritz Riedl, eine Gobelinwerk6tätte aufgebaut, die in der Geschichte der älteren uiid neueren österreichischen Kunst ihresgleichen nicht hat. Sie ist erfüllt von einem Handwerksgeist, wie es ihn seit der Zeit der alten Wiener Werkstätte nicht mehr gegeben hat, von einem Sinn für Material und Form, der heute seinesgleichen sucht.
Uber die Entwicklung dieses Unternehmens gibt eine Ausstellung des Art-Club — die schönste, die im Kellerlokal dieser Künst- leTvereinigung (in der Kärntnerstraßen- Passage) bi6 jetzt zu sehen war — genaue Auskunft. Johanna Schidlo und Fritz Riedl haben die Zeit der zaghaften Anfänge, in der ihre Teppiche noch allzu genau die Aquarellfarben des Entwurfs nachzuahmen versuchten, längst hinter sich. Sie gehen souverän mit ihrer Kunst und Kunstfertigkeit um und überwinden — scheinbar mühelos — jede Schwierigkeit, die ihnen Material und Technik entgegensetzen. Vorbilder kennen sie nicht, weder historische noch moderne; sie entwerfen selbst oder bitten ihre Freunde um Entwürfe, und da ihr können ebenso groß ist wie ihre Aufgeschlossenheit dem Fremden gegenüber, da sie sich als echte Künstler gerne der Versuchung durch das Neue hingeben, gelingt es ihnen, einem kleinteiligen Entwurf Wolfgang Hutters ebenso viele, wenn auch andere Reize abzugewinnen, wie den großzügigeren anmutig-6pieleri6chen Formzusammenstellungen Maria B iljan-Bilgere. Am schönsten scheinen uns indessen doch die Teppiche nach werkstatteigenen Entwürfen zu 6ein: Gobelins etwa wie jener, bei dem große weiße Flächen mit knappen schwarzen Linien bedeckt und gegliedert werden oder jener andere, zu dem Riedl einen Schwarzrotentwurf ersonnen hat, sind schlechthin vollendet, Zeugnisse einer wahrhaft edlen Kunst, in der sich Zärtlichkeit und Kraft geheimnisvoll verknüpfen. Diese Kunst hat heute und in unserem Raum kein Beispiel: 6ie i6t einzigartig und höchst bewunderungswürdig.
Gerade deshalb aber ist hier eine Anmerkung zu machen, die über den Rahmen eines Kunstreferats eigentlich hinau6geht: daß nämlich eine solche Arbeit unter Bedingungen, wie wir sie oben angedeutet haben, überhaupt geleistet- wird, ist durchwegs bezeichnend für die Kraft und die Intensität des gegenwärtigen österreichischen Kunstschaffens! daß diese Arbeit aber nicht entsprechend gewürdigt wird, daß die ersten Verkäufe dieser Werkstätte nicht im Inland, sondern — anläßlich einer Turiner Ausstellung — im Ausland zu verzeichnen waren, ist ebenso bezeichnend für das Desinteressement, das die Öffentlichkeit hierzulande der bildenden Kunst entgegenbringt. Da aber nun einmal der private Käufer versagt — sei es aus Unverständnis, 6ei es, weil er kein Geld’ hat —, 6eien die verschiedenen offiziellen Kunstpflegestellen des Staates und der Gemeinde ausdrücklich aufgefordert, hier eine jener Subventionen zu gewähren, die so oft. mit viel geringeren Aussichten auf Amortisationen ausgegeben werden. Frankreich weiß mit seinen modernen Aubussonteppichen im Ausland nicht nur seinen Künstlern Ruhm, sondern auch 6ich selbst Devisen zu verschaffen. Nun, die Erzeugnisse der Werkstätte Schidlo und Riedl würden den Aubussonteppichen wahrscheinlich nicht einmal an Umfang und Quantität nachstehen, wenn man den beiden Künstlern nur einen Bruchteil jener Mittel und jener Propaganda zur Verfügung stellte, über die etwa ein Luręat gebietet. Auch Kunst muß — kommerziell betrachtet — nicht immer ein Verlustgeschäft sein.
Kurz hinzuwej6en ist auf die winzige Ausstellung des mexikanischen Malers Guillermo Sanchez Lemus in der Sezession: eine halb- indianische Marferlmalerei, die herzlich schwach ist, wenn eie sich an Porträts und anderen „bedeutenden“ Motiven versucht, die aber einen gewissen primitiven Reiz ausübt, wenn sie sich der bildlichen Wiedergabe von schreckhaften Urwaldfetischen hingibt.
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