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Moderne Kirchenkunst

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Nur die wenigsten Pfarrgemeinden Amerikas sind in der Lage, bedeutenden Künstlern Aufträge zur Herstellung religiöser Plastiken zu erteilen, sie müssen sich darauf beschränken, Kopien von Originalstatuen zu kaufen. Um das küntlerische Maß dieser religiösen Bildwerke zu heben, hat die Liturgical Arts Society, eine Gruppe katholischer Laien, kürzlich einige moderne Bildhauer aufgefordert, Modelle für die Serienproduktion religiöser Statuen zu schaffen. Dieser Auftrag erging an fünfzehn namhafte Künstler — unter anderem an Charles Umlauf, Janet de Couc und Ivan Mestrovič. Auf einer Liste waren die Themen angegeben, zu denen die Modelle zuerst in dreiviertel Meter Höhe darzustellen waren. Zehn davon, die dazu ausgewählt wurden, in voller Größe ausgeführt zu werden, sind derzeit in einer öffentlichen Ausstellung zu sehen. Die Künstler wurden darauf aufmerksam gemacht, daß das gewünschte Bildwerk „als äußerer Bestandteil einer Andachtsübung und möglicherweise auch Anregung zur Andacht selbst dem Wesen nach einen liturgischen Zweck habe“. Außer einem Appell an den guten Geschmack und gesunden Menschenverstand wurde den Künstlern keinerlei Beschränkung auferlegt, man forderte sie im Gegenteil auf, in künstlerischer Hinsicht selbst die Initiative zu ergreifen.

Die Bedeutung dieses Auftrages liegt in den Erwägungen, die dazu geführt haben, sowie in der Tatsache, daß die Gesellschaft für Litur- gische Kunst, die bei vielen Künstlern vorhandene Bereitschaft, für die Kirche zu arbeiten, anerkennt. Zwar hat sich die aktive Zusammenarbeit der Künstler mit der Kirche seit-dem Barockzeitalter bedeutend gelockert, doch schufen viele moderne Meister, wie Rouault, Picasso, Beckmann, Chagall und andere, unabhängig religiöse Kunstwerke.. Vielleicht,. weil diese mehr einem persönlichen Impuls als dem Auftrag e:nes Mäzens zu einem liturgischen Zweck entsprangen, spiegeln sie, wie Alfred Frankfurter einmal sagte, „mehr Zeitgeist als Geist" wider. Immerhin ist es bezeichnend, daß diese Künstler trotz mangelnder Gelegenheit, sich an etwas anderes als an ihre eigene Gefühls- und Verstandeswelt zu halten, die alten ikonographischen Motive als Ausdrucksmittel herangezogen haben. Und wenn sie mit Vorliebe Themen von Qual und Leidenschaft darstellen, so sind sie deshalb in religiöser Hinsicht nicht weniger mit ihrer Zeit verbunden, als es die Künstler der Vergangenheit waren, die irgendein anderes, der damaligen Geisteswelt entssprechendes Motiv bevorzugt hatten. Viele moderne Künstler haben den Wunsch, die Bande mit ihrer kirchlichen Gemeinschaft wieder anzuknüpfen, offen ausgesprochen. Sie anerkennen, daß die liturgischen Vorschriften Form und Gehalt ihres künstlerischen Ausdruckswillens eher leiten und intensivieren als einschränken. Und sie begrüßen die Zusammenarbeit der Künste, die aus der Förderung von kirchlicher Seite her erwächst.

Daß es der Kirche heute nicht mehr möglich ist, die Kunst in demselben Ausmaß, mit denselben Mitteln wie einst zu unterstützen, ist sie genötigt, die Stilformen, wie sie sich auf den weltlichen Kunstgebieten entwickelt haben, heranzuziehen. Die Frage ist nur, ob die Kirche diese Stilrichtungen für ihre Zwecke verwendbar findet. Sie neigte begreiflicherweise dazu, eine Stilform nur anzunehmen, wenn sie von der religiösen Gemeinde gebilligt wird. Daher kann sich die Kirche nur zögernd bereit erklären, moderne Künstler für ihre Zwecke heranzuziehen. Selbst der fromme Rouault, dessen religiöse Gemälde voll wuchtiger Überzeugungskraft sind, erhielt erst vor kurzem seinen ersten kirchlichen Auftrag. Er entwarf die Fenster zu einem Gotteshaus in Südfrankreich, das auch ein Gemälde von Bonnard, Mosaike von Leger und einen Wandteppich von Luręat enthält. In einem anderen französischen Ort legte Matisse die letzte Hand an eine Kapelle. Für eine Kirche in England hat Henry Moore eine Madonna mit Kind gemalt, ein rührendes, aber durch und durch modernes Bild, und für dieselbe Kirche hat Graham Sutherland in seiner derben Formsprache eine erschütternde Kreuzigung geschaffen. Diese Beispiele sind vereinzelt; dem Projekt der amerikanischen Gesellschaft für Liturgische Kunst kommt dagegen grundsätzliche Bedeutung zu. Freimütig bekundet sie damit, daß sie den modernen Künstler für fähig hält, Bildwerke zu schaffen, die nicht nur dem Inhalt, sondern auch dem Geiste nach religiös sind, und sie glaubt, daß dies ohne ästhetische Kompromisse oder das bloße Auffrischen überholter Traditionen möglich ist.

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