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Stabiles, Labiles und Mobiles

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Geistige Stabilität kennzeichnet die amerikanisch Architektur (ohne Zweifel die eindrucksvollste Abteilung) der Ausstellung „Moderne Kunst aus USA“, Secession, Wien, die nicht nur mit Megalomanie Wolkenkratzer auftürmt, die eher als Beweis einer barbarischen Gesinnung gelten könnten, sondern sich ebenso in intimen, kndschaftsverbundenen Konstruktionen repräsentiert. (Das Eigenheim Philip Johnsons, Lloyd Wrights swedenborgianische Kapelle in Palos Verde 1951.) Die beiden aus Glas und Stahl erstellten Wohntürme Mies van der Rohes am Lake Shore Drive in Chikago bieten ein Maximum an Rationalität und struktureller Durchsichtigkeit; die Assimilationskraft Amerikas bot Schaffensraum und geistige Heimat für viele Emigranten, denen der elementare Boden des neuen Kontinents nie versiegenden Antrieb gab.

Daß technische Evolution, funktionelles Denken und Architektur etwas miteinander zu tun haben, ist hier offensichtlich. Zur Malerei bedarf es noch anderer Qualitäten, die jenseits des großen Wassers nicht in gleichem Maße ausgebildet sind. Experimente und offenkundige Abhängigkeiten dürfen dort nicht überraschen, wo die kultivierte Tradition der Alten Welt fehlt. Im Vergleich zu dem hohen Niveau der amerikanischen Literatur (Poe, Whitman, Wilder, Faulkner, Wolfe) wirkt die malerische Repräsentanz der USA zugleich barbarischer und blasser. Den stärksten Eindruck hinterlassen selbstverständlich jene Künstler, die uns in Wien bereits bekannt gewesen sind: Lionel Feininger, der jüngst Verstorbene (in New York geboren, von uns fast als Deutscher empfunden), blieb seinem hohen Stil bis zum Tod treu. Männliche Konstruktion vereint sich hier mit kindlicher Ursprünglichkeit. Tächismus quirlt und sprudelt in Jackson Pollocks Leinwand „Nr. I“, 1948. Das breit gelagerte Phänomen der Primitiven und des spezifisch amerikanischen Surrealismus (der sich vom Europäischen atmosphärisch und thematisch durchaus unterscheidet) partizipiert an der Ufer-losigkeit, Melancholie und Hintergriindigkeit des Landes. Edward Hopper: „Haus an der Eisenbahn“, Ben Shahn: „Landschaft am Pazifik“. Alexander Calders Stabiles und Mobiles, virtuos in den Raum hineingedichtet, üben nach wie vor ihren poetischen Reiz aus. Humor und schwebende Heiterkeit entmaterialisieren das technische Gebilde.

Der Initiator der Ausstellung, Rene Graf Harnon-court (aus Graz), Direktor des Museums of Modern Art in New York, ist eigens über den Ozean gekommen, um uns mit Nordamerikas künstlerischer Eigenleistung bekannt zu machen. (Eine Schau der großen Schätze europäischer Malerei, die das Museum gesammelt hat, könnte uns eine Ausstellung der Zukunft bieten.) '

Daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, wußten schon die Griechen. Josef Pillhofer bietet in der Galerie St. Stephan, Wien I, Grünangergasse, elf Plastiken in Marmor, Bronze, Gips, Sandstein und Holz, dazu Kleinplastik, Werkzeichnungen und Collagen, in denen das anthropologische Thema dominiert. Pillhofer, Assistent an der Akademie der bildenden Künste und Schüler Wotrubas, hat metaphysischen Ernst, peinliche künstlerische Gewissenhaftigkeit und unverwechselbaren Eigenstand. Die sorgfältig artikulierten Gebilde zeigen den elementaren Bau des Menschen aus Erde und den Anhauch des denkenden Geistes. An?cbauung der Natur, großzügig erfaßte Architekturzeichnungen münden in eine immer vereinfachtere, *ber konzentrierte Formwelt der statischen und der bewegten menschlichen Figur.

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