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Verpackte Bildung

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In immer stärkerem Maße haben die Massenmedien und speziell das Fernsehen die Begriffe „Kultur“ und „Bildung“ auf ihre Programmfahnen geschrieben. In Deutschland, aber auch bei uns, ist sogar ein drittes Programm im Werden, das der weiteren Popularisierung dieser beiden vieldiskutierten Komplexe seine beinahe uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen soll. Denn für viele Menschen, selbst wenn sie nicht zu den ständigen Bildschirmkonsumenten gehören, sind diese beiden Worte zumeist schon noch von der Schule mit einem Odium behaftet, das in den Adjektiven „langweilig“ und „anstrengend“ noch seine mildeste Ausprägung findet. Beinahe im Unterbewußtsein sind damit jene faden und schleppenden Unterrichtsstunden, in denen oberflächliche und abgedroschene Klassikeranalysen durchgepaukt oder Jahreszahlen ohne die ausreichende kulturgeschichtliche Aura eingetrichtert wurden, auch im fortgeschritteneren Alter noch lebendig. Sie erzeugen eine oft schwer zu fassende Aversion, gleichsam eine Mauer, die zu durchbrechen nun eine der vornehmsten, aber auch schwierigsten Aufgaben des Massenmediums „Fernsehen“ geworden ist. Wobei besonderer Nachdruck auf das Wort „Massen“ zu legen ist, denn darin manifestiert sich einer der hartnäckigsten Widerhaken dieser oielschichtipen Problematik.

Welches sind die Kriterien und Grundlagen, nach denen solche Sendungen gestaltet werden müssen, die sich, bildungsmäßig gesehen, an eine amorphe Gruppe unterschiedlichster Voraussetzungen wendet? Auf einen kurzen Nenner gebracht, sollen diese Sendungen, gleichgültig, ob es sich nun um allgemeine kulturpolitische Betrachtungen, naturwissenschaftliche oder historische Schilderungen handelt, den Fachmann nicht enttäuschen, c/a.s heißt, sie müssen sachlich einwandfrei sein; den Allgemeinverbraucher aber sollen sie zu interessierter Anteilnahme bewegen, damit sie allmählich aus einem mehr oder weniger esoterischen Dunstkreis eines Minderheiten-programmes herauswachsen. Vor allem bedarf das Redigieren dieser Sendungen einer überaus sorgfältigen Kleinarbelt, basierend auf einem profunden Wissen, um mit psychologischem Geschick jene Aspekle herauszumodellieren, die zwar jeder kritisch-wissenschaftlichen Durchleuchtung standhalten, aber doch so interessant, optisch und inhaltlich, verpackt sind, daß sie auch das amorphe Zuschauerbreitband ansprechen. Gleichsam als Musterbeispiel für eine optimale Lösung und Erfüllung dieser komplizierten Forderungen erlebten wir in diesen Tagen eine weitere Folge der von Hellmut Andics gestalteten Reihe „Das österreichische Jahrhundert“, in der er sich, stets geleitet von der Suche nach dem Außergewöhnlichen, dem Abseitigen, das aber doch schlagartig Situa-' tionen erhellt und Standpunkte fixiert, mit der Jahrhundert-ivende und dem für sie signifikanten Jugendstil auseinandersetzte. An Hand von dokumentarischen Bildern und gut gewählten historischen Filmausschnitten formte er allgemeinverständlich und überaus lebendig das schillernde Bild einer schöpferischen Epoche, über der aber schon der ahnende Hauch einer ungewissen und verhängnisvollen Zukunft lag.

Um eine ähnlich lebendige und ansprechende Verpackung ihrer wissenschaftlichen und kulturellen Anliegen sind auch Ernst Hilger und Dr. Dolf Lindner in ihren Sendereihen bemüht. Besonders gut gelungen war Letzterem die filmische Gegenüberstellung des Werkes des verstorbenen Alberto Giacometti mit den ursprünglich-wesenhaften Gestaltungsexperimenlen des Burgenländers Erich Stanschik, der auch einen informativen Blick in seine Persönlichkeit gewährte.

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