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Auf das Wie kommt es an

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DIE CHANCE, EINE FRAU ZU SEIN. Von Michele A u m o n t. Mit einem Vorwort, von Ida Friederike G ö r r e s. Herold-Verlag, Wien-München, 1962. 216 Seiten. Preis 68 S.

So viel über weibliches Sein und Wesen sinniert und geschrieben worden ist, so wenig ist in den meisten Fällen dabei herausgekommen. Man wird den Eindruck nicht los, daß alle diese oft sehr gescheiten Überlegungen sich zu sehr im Abstrakten und Theoretischen bewegen, daß sie von einseitigen Voraussetzungen und Konstruktionen — allzu männlichen oder allzu weiblichen — ausgehen, die die Vielfalt des lebendigen Daseins einengen, ja vergewaltigen, und deshalb für die praktische Bewältigung der Lebensprobleme der Frau unfruchtbar bleiben müssen.

Genau das Gegenteil gilt für das interessante, ganz lebendige Buch der Französin Michele Aumont, „Die Chance, eine Frau zu sein“, das nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Die Verfasserin stellt einfach fest — wie oft wird das vergessen! —, daß Weiblichkeit eine Chance ist, eine in jeder Hinsicht offene Möglichkeit, die positiv ergriffen und gemeistert, aber auch verfehlt werden kann. Das gilt, wie Michele Aumont überzeugend nachweist, für alle Phasen des Frauenlebens und für jeden Stand: für die Mutter und Ehefrau genauso wie für die Alleinstehende und die Klosterfrau.

Ohne jede Voreingenommenheit, nüchtern und sachlich, schaut sich Aumont zunächst einmal im Leben um und skizziert aus ihren Erfahrungen eine Reihe von exemplarischen Frauenschicksalen unserer Zeit. Sie beginnt mit den Berufstätigen und stellt die Frage, warum diese Frauen arbeiten, die bei dem lauten Gerede um das Für und Wider der Frauenarbeit, sehr zu Unrecht, gewöhnlich in den Hintergrund tritt. Die Antworten sind beinahe so verschieden wie die geschilderten Situationen. Sehr dankenswert ist es, daß Aumont ausführlich auf die Berufsarbeit auch der verheirateten Frau eingeht, und hier kommt sie zu dem Schluß, daß sie weder grundsätzlich bejaht noch verneint werden kann, daß alles von den Gründen abhängt, die zu der einen oder anderen Entscheidung führen:

„Der von den Eheleuten gemeinsam gefaßte klare Beschluß kann das Heim nicht gefährden. Die Gattin, die in der Ehe ganz Frau und ganz sie selbst bleibt, riskiert nicht, daß ihr Beruf sie dem Heim raubt oder ihrem Mann entfremdet. Gefährlich ist nur die willkürliche Zurückhaltung oder das Sich-Verschanzen aus Notwendigkeit... Das tiefste Geheimnis ist die Liebe selbst: ,Ama et fac quod vis'... Aber die Liebe stellt große Ansprüche!“

Wenn das bei der Entscheidung einer Ehefrau für weitere Berufsarbeit gilt, so natürlich auch für das Gegenteil, den EntSchluß der Frau, sich ganz ihrer Familie zu widmen. Nicht der Entschluß als solcher ist besser und richtiger als der andere, sondern es kommt darauf an, wie er verwirklicht wird.

In anderen Kapiteln geht die Verfasserin den Problemen der Junggesellin zu-leibe, den Gefahren und Kompensationen im Leben der alleinstehenden Frau und ihren Möglichkeiten der Vollendung ihres Frauen tums.

Die absolute Form des Sich-Verschen-kens, in dem Michele Aumont ein spezifisches Merkmal fraulichen Wesens erkennt, wird von der Nonne geleistet, der ein besonders schönes und instruktives Kapitel des Buches gewidmet ist. Hier werden Vorurteile unserer Zeit gegenüber der geistlichen Berufung widerlegt und herausgearbeitet, wie vollkommen die Verwirklichung des Frauenschicksals in ihr möglich ist.

Im zweiten Teil ihres Buches geht die Verfasserin näher auf die einzelnen Lebensstadien ein: auf Kindheit und Jugend, in denen sich die spätere Entwicklung im positiven und negativen Sinn vorbereitet, und auf die Zeit der eigentlichen Reife der Frau als eheliche und soziale Gefährtin. Immer ist es die Liebe, das Leben für einen anderen oder andere, die über ihr Schicksal entscheiden, darüber, ob sie als Frau verwirklicht und vollendet. Und auf jedem Weg — in der Ehe, im Leben der Alleingebliebenen und im Kloster — kann dieses Ziel erreicht werden.

Hingewiesen sei noch auf die Schlußfolgerung, die Aumont aus ihren Einzeluntersuchungen zieht. Hier wird der falsche Mythos bloßgestellt, den Männer um den Begriff „Fraulichkeit“ gewoben haben, um die „minderwertige“ Frau unter Kuratel zu stellen. Aber auch der an sich berechtigte Protest der Frauen gegen eine nur von Männern regierte Welt, ihr Kampf um Gleichstellung mit dem Mann, der noch dazu mit recht „männlichen“ Waffen geführt wird, ist, wie Aumont sagt, „an der Wurzel verdorben“. Man muß nach der Rolle der Frau im Plan Gottes fragen, um die richtige Lösung zu finden.

„Mann und Frau sind zwei Personen, gleich an Würde, aber verschieden voneinander: angewiesen aufeinander in der lebendigen Dialektik der Liebe, im Mysterium der Vereinigung und des Lebens. Sollte man sich damit nicht begnügen und jeden Begriff von Überlegenheit und Unterordnung vermeiden? Die Geschicke der beiden rufen und ergänzen einander wie ihr Werk und ihre besonderen Aufgaben.

... Er ist der Architekt, und das ist gut so; sie ist die Seele des Baues, und das ist nicht weniger gut. ,Und Gott schuf den Menschen nach Seinem Ebenbild ... als Mann und Frau erschuf er sie.'“

Michele Aumont rückt alle diese Fragen und Probleme ins rechte Licht, und sie tut es so konkret, so praktisch, daß ihr Euch für viele eine echte Lebenshilfe sei wird.

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