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Auf ein offenes Wort, Herr Menuhin!

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Mit dem in der „Furche“ Nr. 10 erschienenen Artikel „Groteske um National-Zeitung“ haben wir wieder einmal unsere alte Freundin gekränkt. Doch zeigte sie sich diesmal empfindlicher als sonst, Sie ist nämlich enttäuscht darüber, daß auch die „neue Furche“ ihr nicht grün ist und macht uns den Vorwurf, wir kehrten wieder „zu jenen deutschfeindlichen und haßerfüllten Tendenzen“ von früher zurück (die es in der „Furche“ nie gegeben hat; nur die „National- und Soldatenzeitung“ mochten wir nicht, die jetzt mit dem Titel „Wiener Morgen“ in Österreich erscheint). Wie lange noch? Das war und ist unsere Frage. In der Bundesrepublik hat nämlich der Innenminister beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, die Zeitung zu verbieten, dem Chefredakteur und Herausgeber Wahlrecht und Wählbarkeit sowie die Fähigkeit, ein öffentliches Amt zu bekleiden, abzusprechen.

In dem eineinhalb Seiten langen Brief, den wir von der „frjational-zeitung“ erhalten haben, wimmelt es nur so von Phrasen und Invek-tiven. Wie unverfroren man dort ist, mag der folgende Satz illustrieren:

„Die freiheitlich-demokratische Grundordnung wird durch die ,National-Zeitung' nämlich nicht bedroht, sondern verteidigt. Wir haben nur ein Ziel: Gleiches Recht für alle Menschen, für alle Völker, für aüe Staaten.“ Und noch ein anderer Passus scheint uns bemerkenswert: „Sie kreiden uns die Formulierung Napalm-Judentum an... In Wahrheit hat unser kulturpolitischer Ressortleiter, Moshe Menuhin (übrigens der Vater des Violinvirtuosen) militanten Zionisten vorgeworfen, daß sie die großartige Idee des Judentums zum Schaden der Judenheit in ein ,Napalmjudentum' entwerteten.“ Es gibt in dieser Welt die gro-teskesten Konfusionen. Eine der tollsten ist auf dem Mistbeet der „National-Zeitung“ gewachsen: Moshe Menuhin als „kulturpolitischer Ressortleiter“ der antisemitischen „National-Zeitung“! Man hat Mühe, es zu glauben. Zwar lebt Herr Menuhin nicht in München, wo er als „Ressortleiter“ eigentlich sitzen müßte, sondern in Kalifornien. Aber es ist auch so schlimm genug, wenn sich die „National-Zeitung“ auf ihn berufen kann, wie in ihrer letzten Nummer wieder (auf so „berühmte Juden, wie Moshe Menuhin, Ginsburg, Breslauer, Kohn, Stern und andere“). Wir wenden uns daher an Herrn Moshe Menuhin mit der Frage: Was haben Sie bei diesen Leuten zu suchen? Sie tragen keinen neutralen Namen, sondern einen, der durch Ihren Sohn, den Sie seinerzeit verständnisvoll gefördert haben, für viele Menschen etwas bedeutet und der weltberühmt ist. Sie haben ihrem Sohn den Namen „Yehudi“ gegeben, das bedeutet „der Jude“, und Sie sagten damals: „Wir müssen einen Namen finden für das Kind, der ganz unmißverständlich ist.“ Und erinnern Sie sich noch, was zu Ihnen einmal Ihr Großvater sagte, als Sie heimlich üben hörte? „Es gehört sich nicht für einen guten Juden, zu geigen, solange sein eigenes Volk im Exil lebt.“ Wir aber möchten Ihnen sagen: „Es gehört sich nicht für einen guten Juden, mit den Feinden seines Volkes zusammenzuarbeiten (wenn auch nur als Korrespondent, und nicht als .Ressortleiter', wie sich die .National-Zeitung' rühmt), solange das eigene Volk um sein Dasein kämpft.“ Wer aber noch immer nicht von der Doppelzüngigkeit und Verlogenheit der „National-Zeitung“ überzeugt ist, dem unterbreiten wir das folgende Zitat, das wir uns aus der Nummer vom 3. Mai 1968 aufgehoben haben. Es steht als Bildunterschrift auf der Seite 5, die zu zwei Dritteln mit dem Artikel „Wird Israel sich zu Tode siegen?“ aus der Feder eines Herrn Martin Kohn gefüllt ist: „Auf die Dauer gesehen, wird Israel sich zweifellos mit seinem unersättlichen Appetit übernehmen. Wie das Beispiel Hitlers zeigt, richten sich Austreibung und Völkermord letztlich immer gegen die Urheber... Die Ansied-lung von Israelis soll zur Austreibung der Araber den gewünschten ,Ausgleich' schaffen. Es ist beschämend, daß sich zwei Jahrzehnte nach Hitler in der Bundesrepublik Deutschland schon wieder Befürworter des Faschismus finden, diesmal des israelischen!“

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