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Bist du Petrus?

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Du bist Petrus — bist du Petrus, möchte man in diesen Tagen fragen. Durch einen Zufall erscheinen zwei Petrus-Filme im Wiener Premierenprogramm. Eine Welt zwischen ihnen! „Der Fischer von Galiläa" ist das „unsterbliche" Kino vom Stamme Cecille B. de Milles, eine stramm dekorierte Story mit „allem drin", drei Stunden lang, 70 Millimeter breit und farbig, gut gespielt, inszeniert von Frank Borzage, also nicht unterm Durchschnitt. Zu verwerfen sind solche Armenbibeln nicht, denn selig sind auch die Armen im Geiste . . . Und doch steht nachdrücklich die Frage auf: Bist du es, Petrus? Bist du Petrus?

Von ganz anderem Holz als dieser „Big Fisherman’’ ist „Du bist P e t r u s“, ein französisch-italienischer Dokumentarfilm unter der Führung Philippe Agostinis, dessen behutsame Hand für religiöse Stoffe wir 2uletzt am „Opfergang einer Nonne“ gespürt haben, und mit dem anspruchsvollen Kommentar von Daniel-Rops. Zwischen dem Ostersegen 1958 Papst Pius’ XII. und seinem Tod bzw. der Neuwahl Papst Johannes’ XX111. schauen wir das Leben und die Berufung des Petrus, nachgezeichnet stimmungsvollen Stätten und Szenen aus dem heutigen Palästina. Aus Freskobildern der Kapelle Notre Dame des Fontaines bei La Brigue und aus römischen Plastiken wachsen die Passion Christi und die Ereignisse bis zur Kreuzigung Petri in Rom. Frühchristliches Glaubensleben (die Priszilla-Katakomben!) stellt die Verbindung zur Kirche von heute her: in der Papstgruft legt eine Gruppe der „Kleinen Brüder Jesu“ die Gelübde ab. Hier hätte der Film ursprünglich schließen sollen. Da traten die denkwürdigen römischen Ereignisse des Spätherbstes 1958 ein und drängten dem Film förmlich einen Anhang auf, der nunmehr, wie oben erwähnt, das eindrucksvolle, hymnische Finale des Filmes bildet. Wuchtig spannt sich der Bogen von der einfachen Herkunft des heutigen Heiligen Vaters, dessen Brüder noch heute den Pflug führen, zurück zum schlichten galiläischen Fischer — nicht dem big fisherman! Großzügigster Einsatz und echte religiöse Sorge um die Gestaltung haben in „Du bist Petrus" einen religiösen Dokumentarfilm reifen lassen, wie sie die Geschichte des religiösen Films nur wenige kennt. Du bist Petrus! (Alleinaufführung ab kommenden Freitag im Wiener Metro-Kino.)

Hätte der Gehalt in den 65 Jahren Filmgeschichte doch mit der Gestalt Schritt gehalten! Was für Versprechungen, ja halbe Erfüllungen hat vor 20 Jahren die Kamera in Orson Welles’ erstem Film, der vielbefehdeten Schlüsselbiographie des Zeitungskönigs Hearst, „Citizän C a n e“, gegeben! Was für atmosphärendichte und traumhaft schöne Bilder zaubert die französische Kamera in eine gedankenschwache Romanze unserer Tage. „M oderato cantabile“ (unfaßbare deutsche Titelverballhornung:, „Stunden voller Zärtlichkeit"!), ja noch in einen getarnten Krimi. „Man begräbt .nicht a m o n n t a g", hinein! Drei Spitzenleistungen weltlicher „reiner Kunst“ des Films.

Im Schatten des hier schon gewürdigten Superwestemers „Die glorreichen Sieben“ stehen in dieser Woche zwei weitere beachtenswerte Amerikaner, „C a v a 1 c a d e westwärts“ und „Wilder Strom“. Ein gekonnter, etwas trockener und von einem heimlichen antiösterreichischen Affekt aufgeladener Teil, „Burgen in Flammen“, und ein Doppelgänger zum Lumpazivagabundus, „Eine Nacht ln C a m p i o n e”, sind der Schweizer Beitrag dieser Woche: der deutsche: ein tüchtiger, gedanklich nicht ganz ausgebackener Neuguinea-Expeditionsfilm Eugen Schumachers, „Geisterland der S ü d- s e e“, und eine Kanone, die fast nach hinten los geht, der Antinazifilm „L e- b e n s b o r n“; schließlich der österreichische: eine schlecht und recht zusammengestoppelte lokalhistorische Bilderund Melodienrevue unter dem Titel „Operette aus Wien".

Die große Reprise der Woche (die wir nicht mehr missen wollen): Anna Magna- gni in „Die tätowierte Rose“.

Mehr Raum als diese Zeilen gebührte den Anregungen, die in diesen Tagen aus einer Eequete „Film und Gesellst h a f t“ des Referates für Kulturpolitik der SPÖ herauskamen. Vielleicht aber räumen sie wenigstens Steine auf dem mühseligen Weg zu einer gesamtösterreichi- sehen Prädikatisierungskommission weg, mit der die sachliche Grundlage für eine allgemeine steuerliche Begünstigung solcher prädikatisierter Filme gegeben wäre. Aber auch in die müde und verzagte heimische Filmproduktion könnten Funken vom Feuer gemeinsamer Kulturpolitik springen.

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