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Bomben und ein Melodram
Endlich kommt Licht in die Briefbombenaffare. Wichtig wäre eine nüchterne Auseinandersetzung.
Endlich kommt Licht in die Briefbombenaffare. Wichtig wäre eine nüchterne Auseinandersetzung.
Das Gefühl einer Mutter sagt mir, daß der Hub nicht dieses Bomben -hirn ist.” So wird Anna Fuchs, Mutter des Verdächtigen, in der „Kleinen Zeitung” zitiert. Eine Mutter in Wien denkt anders: „Ich bin sicher, daß Franz F. der Bombenkopf ist. Gefühlssache”, äußert Angela Resetarits, Adressatin einer der Briefbomben, im „profil”. Allein diese beiden Beispiele zeigen, daß die Causa Briefbomben zur Zeit viel mit Gefühl zu tun hat.
Furch die Ermittlungsergebnisse seit der Festnahme von Franz Fuchs liegen erstmals greifbare Fakten in der unheimlichen Bombenserie vor. Ein Fall, der endlich Tatsachen aufweist, die zu dessen Aufklärung führen können, droht jedoch in den Medien aus den Fugen zu geraten.
Oben zitierte Gefühle sind vergleichsweise nachvollziehbar, was aber sonst alles aus dem Bauch heraus bewertet wurde, verwirrt jeden, der einigermaßen Bescheid wissen will und vor allem eine Klärung der Causa erhofft. Ob Bombenopfer Helmut Zilk von Portugal aus Ferndiagnosen stellt („Es waren mehrere Täter”), ob der Journalist Michael Grassl-Kosa publizistisch mit der Einzeltäter-These unterwegs ist, oder ob der Salzburger Historiker Gerhard Botz mit eifernder Vehemenz in Radio und Fernsehen sich Zilks Mehrtäter-Vermutung anschließt: All dies vermittelt mehr die Gefühlslage einiger Beteiligter denn fundierte Analyse. Gar nicht zu reden von den Auftritten der Familie des Verdächtigen, des Vaters oder des Bruders, dem bei der von ihm bestrittenen Pressekonferenz die Stimme bricht.
Verständlich, daß Österreichs Polizei ihren Erfolg gebührend zur Schau stellt. Unverständlich bliebe, wenn dieser durch Unbedachtsamkeit relativiert würde. Immerhin klingt aber etwa in den Aussagen des Chefermittlers Robert
Sturm jene Distanz mit, die von vorsichtig agierenden Detektiven erwartet wird: Man müsse zunächst das Vertrauen des Verdächtigen gewinnen, so Sturm am Sonntag im Radio. Anderntags gestand er zu, daß vieles offen sei, daß immer noch Bomben unterwegs sein könnten, daß ein oder mehrere Täter in Frage kämen ...
Was die Person des Franz Fuchs betrifft, gibt es genügend Zutaten für ein „Melodram”. Mit „Das Bombenhirn - ein einsamer Wolf. Er liebte nur die Nacht” flössen bei Krone-Ada-bei Michael Jeannee die Krokodilstränen am intensivsten. Das, was in den verschiedenen Medien über Franz Fuchs zutage trat, geriet zum abgründigen Bild: ein intelligenter Einsamer, von Familie und Umwelt abgeschieden; einer mit Brüchen im Leben, niemand wußte, ob er sie bewältigte - insbesondere seit einem Selbstmordversuch vor einigen Jahren; einer, der unauffällig und fast vergessen schien.
Ein erstes Besümee zeigt, daß die öffentliche Wahrnehmung der Ereignisse in deren
Personalisierung im Täter Franz Fuchs mündet. Unabhängig davon, was die kommenden Ermittlungen tatsächlich ergeben, zeigt sich, daß diese Personalisierung durchaus in die gesellschaftliche und mediale Befindlichkeit Österreichs paßt:
■ Die Auseinandersetzung mit dem „einsamen Wolf” entspricht dem Bedürfnis, auch schwer Erklärbares anhand einer gescheiterten Lebensgeschichte greifbar werden zu lassen. Gute „Raubersg'schich-ten” lassen sich daraus allemal stricken (siehe M. Jeannee).
■ Auch die politischen Implikationen sind so auf leichte Weise faßbar: Ein individuelles Schicksal, kein Versagen der Gesellschaft - möglicherweise muß nicht einmal das gesellschaftliche Klima thematisiert werden: Österreichs Boulevardmedien arbeiten bereits eifrig daran, politische Hintergründe, auf denen das oder die Bombenhirne agierten, nur unterschwellig sichtbar werden zu lassen.
Dennoch ist zu hoffen, daß dem allgemeinen Aufwallen der Gefühle doch nüchterne und behutsame Auseinandersetzung und Aufklärung folgen. Dies täte auch not, weil im Zuge der Aufregungen einige politische Akteure ihr Mütchen kühlen.
So fordert etwa die Kronen Zeitung einmal mehr den Kopf von Caspar Einem, weil er als Innenminister Ermittlungen behindert habe. Andere wieder befördern mit der Causa ihr Eintreten für die Rasterfahndung, obwohl jene mit den Ermittlungserfolgen nichts zu tun hat.
Wenn Franz Fuchs' Verhaftung der Anfang vom Ende der Bombenserie ist, wäre für das gesellschaftliche Klima und für die politische I Iygiene in Österreich einiges erreicht. Es steht jedoch viel auf dem Spiel, vor allem wenn mit den Gefühlen der Beteiligten und der Öffentlichkeit Politik gemacht wird.
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