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„Alle lassen mich allein...“

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IM PARADIES NEUN. Roman. Von Kurtmartin Magiera. Verlag Josef Knecht-Carolusdruckerel, Frankfurt am Main. 404 Seiten. Preis 14.80 DM

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IM PARADIES NEUN. Roman. Von Kurtmartin Magiera. Verlag Josef Knecht-Carolusdruckerel, Frankfurt am Main. 404 Seiten. Preis 14.80 DM

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Wie schon in seinem ersten Roman „Ich heiße nicht Robertino“, geht es Magiera auch in diesem neuen Buch um das Problem der Einsafnkeit im Leben des heutigen Menschen, der sich nach Liebe und Geborgenheit sehnt, und dem im entscheidenden Augenblick niemand die rettende Hand hinstreckt, die ihn vorm Scheitern bewahrt. Im entscheidenden Augenblick — daran liegt esl Denn es fehlt den Menschen, von denen hier erzählt wird, nicht an gutem Willen und an Hilfsbereitschaft. Aber, selbst vom Schicksal gezaust und hart geworden durch ein schweres Leben, spüren sie nicht mehr, wann sie gebraucht werden, entziehen sich gerade dann, wenn ihr vorbehaltloser Einsatz notwendig wäre.

Da ist diese Edith Krafft. Mit 18 Jahren hat sie ein uneheliches Kind bekommen, dessen Vater im Krieg fällt, noch bevor es auf der Welt ist. Edith liebt ihren Sohn und weiß, was sie an ihm hat. „Du bist richtig, Edith", flüstert ihr der Zehnjährige zu, oder „Daß man dir alles sagen kann..." Das wiegt viel und zeigt, daß sie eine Mutter ist, wie sie sein soll. Aber, sie ist jung und kann den Geliebten nicht vergessen. Zehn Jahre kämpft sie mit sich und ihrer Einsamkeit. „Alle lassen sie mich allein. Niemand legt die Hand auf meine Schulter..." Da treibt es sie eines Abends auf die Straße, in ein Abenteuer, das ihr eine neue Schwangerschaft einträgt. Und wieder ist sie in ihrem Elend allein, wieder nimmt sie niemand an die Hand. Zwischen Schuldbewußtsein und Auflehnung — Auflehnung auch gegen Gottf: „Wer sagt hier Sünde? Du hättest ihn nicht sterben lassen sollen. Wenn es eine Todsünde gibt, ist es die Deine“, heißt es einmal — entschließt sie sich in ihrer Verzweiflung, zu einer Abtreibung, die sie das Leben kostet.

Solcher Verstrickungen, solch dunklen Endes bedarf es, die Menschen um Edith aufzustören aus ihrer Ichbezogenheit.

„Ist deine Sünde nötig, uns zur Vernunft zu bringen? Brauchen wir deinen Tod, um unser Ja zu finden? Ist es der Tod allein — der einsame Tod —, der in unserem Herzen noch Resonanz findet an den leeren Wänden?"

Das ist eine Frage, die auch den Leser betrifft. Magiera hat etwas Wesentliches zu sagen, das steht außer Zweifel. Aber formal hat sein Buch Mängel. Die Handlung schleppt sich schwerfällig dahin; es wird viel reflektiert und' doziert. Stellenweise glaubt man einen Traktat zu lesen und nicht einen Roman. Das ist dem Gesamteindruck und der Lieberzeugungskraft ebenso unzuträglich wie die Eigenart des Autors, von einer sehr realistischen Betrachtungsund Darstellungsweise unvermittelt ins Pathetische hinüberzuwechseln.

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