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Christopher Fry in Salzburg

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Peter Stanchina, seit einem Jahr Direktor des Salzburger Landestheaters, der ein seltenes Sensorium für die Qualität geistiger Welten besitzt, hat Salzburg einen gewichtigen, schweren Theaterabend bereitet, indem er J. P. Sartres „Beigeschlossenen Türen“ und Christopher Frys „Schlaf von Gefangenen“ beinahe ungekürzt einander gegenüberstellte. Beide Bühnenräume, das Höllenzimmer Sartres und die Kirche Frys, die als Kriegsgefangenenlager dient, sind nach außen geschlossene Räume. Während aber Sartre seine drei Verdammten mit eisiger Konsequenz ihrer von oben verhängten und nach oben hin unabänderlich versperrten Bestimmung überläßt, bewegen sich die vier Gefangenen des englischen Dichtere in einem unaufhörlichen Austausch zwischen der Erde, „dieser überfruchtbaren Unerheblichkeit , und Gott, zu dem der phantastische Poet Christopher Fry den Alten unter seinen Soldaten, Tim Meadows, sprechen läßt: „O Gott, die ungenützten Märchenschwingen ruhen im Herzen zusammengefaltet.“ Sie leicht zu machen zum Flug, 6 heint das Anliegen dieses stets aufs neue aus einem vitalen Realismus überraschend in eine traumhaft in6 feste Gefüge dieser Zeit hereinspie- lende, es durchbrechende, durchstrahlende, mit einem neuen Sinn erleuchtende Welt sich erhebenden Dichtere zu sein. So durfte man bei ihm erwarten, er werde auf die Hamlet- Frage: „Schlafen, auch träumen?“ die Antwort geben: „Ja, auch träumen . Die Kirche mit ihrer „steilgotischen Bildersprache und die englische Bibel, die man den gefangenen Engländern (denen 6ie von der Sonntagsschule her besser vertraut i6t als uns) vorsorglich hingelegt hat, erfüllen deren Träume mit ihren Gestalten, die sich mit ihnen selbst geheimnisvoll vermischen, durch sie verändert und sie verändernd.

Das letzte dramatische Werk des Dichters, vor zwei Jahren von der englischen „Gesellschaft für religiöses Drama für die Aufführung in einer Kirche bestallt und in einer Kirche uraufgeführt, erlebte al60 in Salzburg seine österreichische Erstaufführung und die künstlerisch dichte Realisierung seiner transparenten Phantastik darf zu jenen Regieleistungen Stanchina zählen, durch die er den spirituellen Forderungen unserer Gegenwart Rechnung trägt. „

Im ersten Traum des Meadows von Adam, Kain und Abel wird unsere menschliche Situation im Bilde einer soldatischen erschütternd sichtbar: Wir können nicht mehr in unsere Ausgangsstellung zurüdc, es ist zu spät, wir haben alle Spur davon verloren.

„Wir konnten gerade unsere Hand vor den Augen sehen, aber nicht den Weg. Der Weg teilte sich immer, war so lange, nahm kein Ende. Wir hatten das alles nicht erwartet. Herr, schlecht ausgerüstet, wie wir waren, nadct wie der Tag. Und die Welt fiel über uns her, bevor wir Zeit hatten, Deckung zu finden, Bedeckung.“

Wir vermögen auch nicht mehr, in Ruhestellung zu gehen, es gibt keine Ruhe mehr, sagt der Korporal Adams-Adam, das Korpus Adam, das auch Geist gezeigt hat - Hr ist unruhig geworden im Suchen nach dem Paradies, das er verloren hat, .als er wußte, es gehöre ihm, und als er fühlte, daß er der einzig war, der den Wirt nicht kannte . Davies bemächtigt sich im Traum der Geist Kains: .ein braunstrammer Bursche mit wachen Leidenschaften , der sein möchte, wie der Mensch zuerst gedacht wurde, und der Peter rebelliert gegen den engel-süchtigen, weil derslbe .glaubt, er könne ihn aus dem Leben hinausschwindeln . Er erwürgt Ihn als Kain, er läßt, als König David im zweiten Traum, ilhn, Absolom, durch Joe Adams-Joab töten, weil ihm Davids Feinde nicht als die eigenen erscheinen. ET spricht im dritten Traum als Abraham:

.Ich bin der Sinn der Geschichte und muß Wirklichkeit werdeni ich werde hassen, 6o lange Haß Geschichte ist, obwohl es — Gottl — mein Leben aus mir herausgejagt wie einen geprügelten Hund.“

Aber er will ihn bereits .gegen 6ein Herz gehen lassen woran ihn der Engel Gottes hindert. Im vierten Traum erleben die drei Jünglinge die Prüfung des Feuerofens. Peter ist unterdessen durdi das Erleben der Existenzangst in den ersten Träumen zu einem Ernstnehmen der Welt durchgedrungen. Er nimmt sie nicht mehr zu leicht, er konfrontiert sich mit ihr:

.Oh, lügnerische Lieblichkeitl Ein dünner Schleier nur über den tiefen Narben, die die Nägel der Streitenden gruben.

Und wie Garcin in Sartres Drama sagt: .Die Hölle, das sind die ändern“, so spricht Peter: .Die Flammen sind Menschen, alles Menschen, Es gibt kein Feuer I Davie, den zunächst noch ein Geist der Auflehnung sprechen läßt: .Herrgott, sollen wir hier eingesperrt bleiben in die Taten anderer und zusehen, Wie wir Menschen in die Sünden hinein zermalmt und zerschlagen werden? erkennt schließlich .in den Qualen dieses Ofens :

.Stark zu sein über alle Tat ist die Stärke, die man besitzen muß.

Und Peter ergänzt:

.Es ist unlöschbar. Es kann uns nur verwandeln. Einen Ausweg gibt’s nicht darauf. Wir können nur bleiben und uns ändern. Meadow belehrt 6ie, daß es wohl etwas noch zu hassen gebe, die Taten aber und nicht die Täter. Und wenn auch das Gute unbehütet ist und wehrlos wie ein nackter Mensch, so 1st es doch unzerstörbar.

.Das Gute hat keine Angst. Das Gute ist es selbst, was audi immer kommt. Es wächst und schafft und wirbt mit Tapferkeit, dem Ansturm des Bösen widerstehend. Mit Geduld und Liebe können wir durchkommen durch dieses Feuer, sagt Meadow am Ende, oder zumindest mit der Ehrlichkeit, .nicht zu behaupten, daß wir etwas für die anderen Menschen tun, wenn wir es für uns selbst tun.

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