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Das Gedickt

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O sind wir nicht alle vertrieben? Uns gilt nicht, zu rasten, zu ruhn. Wir leben nur dann, wenn wir lieben, Und lieben nur da, wo wir tun.

Zwar immer hat sieghaft zerrissen Die Liebe die Fesseln des Nun,

Doch blieb es' den meisten ein Wissen; Du aber, mein Kind, sollst es tun.

Nicht erst, wenn nach all diesem Trüben Wir treten aus staubigen Schuhn,

Schon hier sind wir ganz, wenn wir lieben,

Unsterblich in dem, was wir tun!

VOR DEM EINSCHLAFEN

Längst schon verhallte der Schritt, Der dich nach Hause gebracht hat, Leid, das dich müde gemacht hat, Nimm in das Dunkel es mit.

Da die Gedanken sich wirrn Leis dem versinkenden Schläfer, Führt schon der ewige Schäfer Leuchtend das große Gestirn.

Schreite durchs dunkele Tor. Dies ist die einsame Stunde.

Nome, mit flüsterndem Munde, Füllt dir dein nächtiges Ohr;

Lindert versunkenen Schmerz, Raunend durch Traumes Geschiebe, Neu dir mit Sehnsucht und Liebe Füllt sie dein schläferndes Herz.

Nächtliche Seele, tritt leis Nah an die stygische Welle, Sieh wie die finstere Quelle Spiegelt den sternenen Kreis.

Fühle den Fuß dir genetzt, Lausche dem Nimmergehörten, Daß dem vom Leide Versehrten Anders die Seele es letzt.

Wenn ihre Wimpel auch hißt Angst, die dich oftmals besessen: Trinke, den Tag zu vergessen, Eh' dich das Leben vergißt!

Stürzt dann der Morgen die Nacht, Wirft es dich Wieder ins Leben.

Kehre ins irdische Streben, Träurnend, und dennoch erwacht!

Nicht nur aus Mohn einen Kranz Suche du dir zu erringen;

Lasse den Gott dich durchdringen: Schaffend vollende dich ganz!

WILLST DU NOCH IMMER ENTFLIEHEN ?

Willst du noch immer entfliehen Leuchtendem, liebendem Blick, Ewig dem Dunkel nachziehen?

Kehre doch endlich zurück! Fühle die Kräfte dir sprühen Neu in erneuertem Glück, Und wie das Dumpfe sich wendet, Ganz dich und tröstlich verschwendet!

Nütze dein Leben, das späte, Das noch die Treue dir hält; Stunde, die oftmals erflehte, Fruchtschwer zu Füßen dir fällt.

Neu vor das Auge dir trete frag, den die Gottheit einst zählt: Dann wird dein ruhloses Sinnen Wieder den Frieden gewinnen.

Lasse die letzte der Rosen Finden, entblätternd, den Tod, tlnd mit den Herbstzeitlosen Blassen vor schwindendem Rot; Mögen die Stürme auch tosen, Ruhe du sicher im Boot, panz von dem Glück überregnet, Selig aufs neue gesegnet.

Steure nach uralter Regel Durch das geöffnete Tor.

Möven, die schwankenden Vögel, Fliegen dir grüßend schon vor. Sieh', um dein flatterndes Segel Hebt sich der neblige Flor: pnd in dem sanftesten Bogen Wirst du hinübergezogen.

Dr. Ernst Schönwiese, geb. 1905 in Wien, Träger des Julius-Reich-Prėises 1937. Lyrik: „Der siebenfarbige Bogen“, „Ausfahrt und Wiederkehr“, „Nacht und Verheißung", „Das unverlorene Paradies“. Herausgeber der Anthologie ,Patmos" und der literarischen Zeitschrift „Das S lerboot". Leiter der literarischen Abteilung der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot.

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