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HERBST IM WEINLAND

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EINE WEINLÄNDISCHE ELEQIE

Zeiten wie diese, die gibt's ja noch immer im hüglichen Weinland, Wenn in den Rieden das Lied unserer Winzer erklingt, Wenn auf Hügel und Hang behendig in Bottich und Butte Rastlos das Traubengebirg' wächst unter kundiger Hand. Seht! Die Familie: Vater und Tochter, Mutter und Ahnfrau Freuet sich innig des Tags, der sich so reichlich bezeigt. Herbstlich ist schon die Flur. Im milderen sonnigen Glaste Ziehen die Fäden des Altweibersommers dahin. Bäume schmücken rotgold und mit prangenden Farben ihr Baumlaub, Doch durch der Blätter Barock ragen die Äste schon kahl. Raben krächzen in Scharen — des kommenden Winters Verkünder — Und auf de* stoppligen Feld macht man auf Hasen schon Jagd. Jetzt mit einmal, Natur, begibst du dich jäh deiner Schätze — Nur unterm raschelnden Laub bleibst du bewahrender Schoß ... Aber — hat es nicht stets dem Landmann Kummer bereitet, Wenn das fruchtprangende Jahr ausklang im Tode des Herbsts? Heimräumen heißt es! Es ist schon Bottich und Butte gerüstet: Heute noch, traubige Fracht, holt man dich heim aus dem Ried!

Der gepriesene Tag

Einmal noch, Weialaad, ze-igst du 4etn lieblichstes ÄBtliteiürb?

.Liegt deiner Felder Gebreit in.einem sonnigen Dom.

Heit'rer, gepriesener TägJ. rWelch fröhliches Treiben im WetBried!

Aus grünen Rebstöckeri lacht lockend die traubige Last.

Weiber sieht man hier schneiden; die Gugel schirmt die Gesichter.

Eimer, füll'n sich; es geht buttentragend der Mann.

Sieh: es labt uns der Pfirsich; die hart herabprasselnde Nußfrucht

Boßt man; den goldgelben Mais löst auf den Tennen man aus.

Aber von all diesem Lieben bist du uns, Traube, das Liebste,

Das uns die sonnige Glut unserer Heimat gereift! —

Und in den Zügen Mariannens da glüht's jetzt vor Eifer und Tatlust;

„Vater!“, sagt sie, „so viel bauten wir Vorjahrs doch nicht!“

Eifrig pflichten ihr bei die Weiber der ländlichen Wirtschaft;

Aber der Vater, verschmitzt schmunzelnd, arbeitet fort.

Oftmals ruft er die Rosse, wenn stampfend sie sind und voll Unruh“

Oder aber er führt sie den Arbeitenden nach -

Strahlend im herbstlichen Tag liegt immer noch, Volk, deine Landschaft:

Blau aus slowakischem Land grüßt das Karpatengebirg',

Dunkel schlingt sich der Marchfluß durch eichenbestandenen Grenzwald —

Menschen, hier hüben und dort, leben vom Schicksal getrennt.

Aber noch immer bescheint ja die Sonne mein liebliches Weinland,

Zeichnen die Wolken dich zart, hügelwellige Bucht!

Des Wohlstandes si ch'r e Gewißheit

Und in den Triften seh' ich die Keller! Das reichliche Faßgut

Voll mit gekeltertem Wein ruht in den Lößhöhlen dort;

Gibt viel Arbeit, doch auch des Wohlstandes sich're Gewißheit.

Denn: wo ein Sicheres fehlt, da ist auch unklar die Sicht.

Zweifel umfassen das Menschenherz und in jäher Aufwallung

Gibt es hin sich der Welt und ihrem unedlen Geist.

Dort, in den Städten, umbraust, umtost von den Strömen der Technik,

Hört der entwurzelte Mensch oft nicht die Lehre von Gott...

Denket zurück an die Zeit, da Väter und Söhne im Krieg warn,

Da in der Heimat selbst brannte die Fackel des Kriegs!

Friede ist wieder! Seid wachsam! Ihr Menschen, durch Leiden geläutert,

Haltet zur Heimat: zu Trift, Kellergasse und Ried!

Und es genüg' euch dies Sein! — Kein andres von anderen fordert:

Fühlt ihr die Bande denn nicht, die euch noch binden ans Land?

Seid ihr alle doch eins mit den Rebengärten, den Triften

Und diese hüglige Welt — gibt sie das Brot nicht, den Wein?

Wert fürwahr ist ein Leben um dieser Heimat erlitten:

Fordert nicht ihren Dank;- selbstlos sei, wer sie liebt!

Das sei das große Sinnieren, ihr Kellergassen des Weinlands,

Wenn der Vater allein sinnend die Fässer besieht,

Oder wenn froh beim Umtrunk klingen die funkelnden Gläser

Und das Herz, das Gemüt freier sich offenbart!

Triften des Weinlands“ — ein Lied, kann je es euch Stillen verkünden?

Liralt, robinienumweht seid ihr inmitten der Zeit...

Herbstlich geschäftige Welt...

Jetzt ist das große Getriebe, ihr Kellergassen des Weinlands! Aus ist die Ruh'; es rumort unter und ober der Erd'.

Riesig kommt es herein aus den Rieden in Bottich und Butte.

Was uns die Sonne geglüht, sprüht jetzt in Presse und Faß;

Wühlt uns wie Fieber im Blut und treibt zu Unruh' und Unrast,

Zischt tief im lößigen Rund kerzenflackernder Stund'. —

Herbstlich geschäftige Welt, wie gleichst du dem gärenden Mostfaß!

Sturmbewegten Gemüts braust's im Gebinde; es ist

Unklar die Zeit und die Welt, und zepterschwingend greift Bacchus

Toll nach den Sinnen; es folgt becherklingend die Lust.

Doch hinter jedem Lachen da steckte noch immer ein Weinen,

Trauerte jemand, wenn froh glühte im Becher der Wein. . Kurzlebig ist diese Welt, die in Prunken und Prassen sich austobt,

Und unter weltweitem Zwist zweifelt der Mensch dieser Zeit...,

Nur wem der Gärungsprozeß zur Klärung führte und Läutrung,

Dem leuchtet ruhig und rein, Kerze, dein traulicher Schein.

Und in der Gnade der Stunde, ihr Kellergassen des Weinlands, Funkelt im Glase der Wein heimliches Leuchten dazu . ..

Friede ist wieder! Und jetzt, ihr Großen, vom Schicksal geläutert,

Nützt ihn, daß nicht, wie dereinst, wieder entbrenne der Streit!

Gab denn den Menschen nicht Gott die Wahl der freien Entscheidung

Und das Gebot, das Gesetz richtigen Handelns dazu? nsn fht “lfeiftch iffluSommer efilde, ed:

Tagtäglich, Hand an Hand, werken wir mit zähem Mut. Isitlich Wisper am Himmel, nv jg,

Doch unter Gugel und Hut ist auch die Sorge daheim:

Wird unser Tagwerk gesegnet und wird uns ein glückhaftes Weinjahr?

Blau ist der Himmel — man hofft. .. Gibt's ein genügsames Glück?

Aber: wer nie noch den Wein — den reinen! — zu Martin' gelobt hat

Als ein Hauer und Christ, weiß nicht, was Gotteslohn ist!...

Laut anhebt das G e w e rk e! • Wiederum gehst du nun, Vater, den mächtigen Schlüssel am Schurzband, In dein umfriedetes Reich, Herr und Meister zugleich. Ja, hier bist du daheim: im kerzenerleuchteten Preßhaus! Flüstern nicht Spindeln und Grand trauliche Worte dir zu? Grüßt dich nicht tiefer, im Keller, gläsern blinkend der. „Tupfer“? Und deiner Fässer Reih'n — fassen sie heuer den Wein? Laut anhebt das Gewerke: die Geittür geht auf und es pumpert Holzig und dumpf das Geit durch diese Öffnung herein. Jetzt die Mühle noch drauf und jetzt die Trauben geschüttet! Unter dem drehenden Rad gießen sich Maische und Most. Schaufelnd füllen und schnaufend die Männer den räumigen Preßkorb; Unter des Hebels Druck schießen Kaskaden hervor, Füll'n den geräumigen Grand mit Eimein süßesten Weinmosts — Und man trägt dich mit Lust kellerwärts, köstliche Last! Löß ist hier nur die Wand und wurzeldurchwachsen die Wölbung. Wie es die Stunde erheischt, schaffen hier Schatten und Mann. Kerzen brennen im Rund. Das Faß, im Spundloch das Gießkar, Nimmt das Edle jetzt auf, das unsre Erde uns gibt.

Lehen dem Hauer von Gott... „Vater! Nicht hatt' ich so viel des kostbaren Gutes erwartet“, Sagt jetzt die Tochter; sie reicht just ihm den Eimer hinan. Dieser doch läßt sich's wohl sein. Er weiß: eines Jahreslaufs Zinstag Ist solche Lese; sie ist Lehen dem Hauer von Gott! Denn, nicht immer ist's so; was ist, wenn Hagel und Blitzschlag Furchtbar treffend gerät in das Gedeihen hinein, Wenn, verhüte es Gott, der Lieben sich mächtigt die Krankheit, Daß in Siechtum und Not betet der Bauer und klagt? Dank sei deshalb dies Jahr dem gnädigen Walten der Allmacht! Ja, Hausvater, du weißt's, demütig dankbar und preist, Preisest den Himmel der Heimat, du Bauer, Schnitter und Winzer: Aus seinem blauen Gewölb' gießt sich ein gnädiger Strom, Leuchtet die Sonne herab auf den rankend grünenden Rebstock Und das pannonische Land dankt ihm die liebliche Zier!

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