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Das Gedicht

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Es ist ein großes Abenteuer, Herr,

Das du uns arme Menschen zwingst zu tun: Im Schlaf zu leben, ohne auszuruhn.

Du brennst in uns als großes Feuer, Herr.

Ich weiß nicht, wer die Kraft uns geben soll, AW die Gefahren siegreich zu besteh'n Und in den Gang der Sterne aufzugeh'n. Du weißt, wie man bei Sternen leben soll.

Du bist so fern. Der Tod steht zwischen dir Und unsrer schwachen, menschlichen Begier. Wir träumen nur von deinem Weltbeginnen.

Was hilft uns Sprache, Melodie und Wort. Was wir auch tun, wir werden hier und dort Wie Wasser leicht durch deine Hände rinnen.

FÜR EINE SIECHE

Gewinne dieses Leben ganz aus dir.

Du kannst es, und du darfst nicht mehr verlangen. Schon mancher ist den Weg vor dir gegangen Und wußte nichts vom Wunder und ging irr.

Du darfst dich nicht in Ungeduld zerstreuen. Du darfst nicht warten, denn es trifft nichts zu. Und mußt du sterben, sieh, auch das bist du. Du sollst dich nicht vorin eignen Antlitz scheuen.

Ich weiß, du glaubst dich alt und abgezehrt Und möchtest gerne jung und fröhlich scheinen. Versuche nichts. Das Wachen und das Weinen Hat deine Schönheit tausendfach vermehrt.

Das Leben draußen geht dich nicht mehr an. Du kannst nicht mehr gedankenlos genießen. Das bißchen Glück, das sie dich leben ließen, Kann dir nur in der tiefsten Stille nah'n.

Du liegst und brauchst die Glieder kaum zu rühren. Ein Duft von Krankheit zaubert durch die Gänge. So schreitet man durch braune Ulmenhänge. Ein weites Dunkel nistet in den Türen.

Ist dieser Raum nicht Lebensraum genug?

Du könntest ihn in Träumen kaum durchmessen Und was du fändest, würdest du vergessen.

Du trankst dich müde. Nun zerbricht der Krug.

Du bist geschmückt für eine weite Reise, Und Seelen stehen bleich um dich herum. Die dürren Blumen bleiben dir nicht stumm. Ein Licht fällt silbern aus dem Weltgehäuse.

Oeffnet die Fenster! Laßt die Nacht herein!

Laßt sie den Leib durchschwingen und durchtönen. Die Wiesen kommen, um dich zu versöhnen.

Jetzt darfst du lächeln und darfst schläfrig sein.

Der Wind berührt dich mit dem feuchten Saum, Der glitt durch Wälder und durch Uferauen. Und überm dunklen Hügelzug der Brauen Glänzt früchtereich der volle Sternenbaum.

VENEDIG

Aufbruch der Türme. Grau zerstörtes Licht. Das Meer stürzt abwärts jäh in kalten Stufen. Die Barken schweben wie in goldnen Kufen Und schwanken leis, wie ohne Weltgewicht.

Die Taubenflügel schlagen dein Gesicht. Die Leiber taumeln, schwer von Liebesrufen: Versüßte Früchte, die Ermattung schufen. Der offnen Mäuler Qual im Fischgesicht.

Doch wie Rubin das Auge der Lagunen. In den Arkaden wirft man Todesrunen. Der Stein ist seltsam, wie von Frost bedeckt.

,In feuchten Kellern modern Leichenberge.

Ein Lächeln stäubt herab auf alte Särge. Die Küste züngelt, Schlangenhaft gereckt.

HYMNE

Schön sind die Himmel, die den Gewittern dienen. Schön sind die Dome, vor denen das Herz erschrickt.

• Schön sind die Plätze mit müden, verschlossenen Mienen. Schön ist die Sonne, die stumm sich ans Mauerwerk drückt. Schön sind die Sterbenden, ihre verletzten Gebärden. Schön sind die Kinder, geboren im Krankensaal.

Schön ist das Lachen, doch auch das Weinen auf Erden In Glück und in Unglück, in Lust und in Todesqual.

Schön sind die Türme, die langsam im Meer versinken. Schön sind die Schiffe, entlassen zur Traumfahrt, zur Jagd. Schön sind die Segel, die stöhnend im Wind ertrinken. Schön ist die Reife des Lebens, an Schmerzen betagt. Schön sind die Liebenden, die sich so fraglos gefährden; Wege der Hoffnung sind ihrem Fuß fast zu schmal.

Schön ist das Lachen, doch auch das Weinen auf Erden In Glück und in Unglück, in Lust und in Todesqual.

Kurt Klinger wurde 1928 in Linz geboren, besuchte die Handelsakademie und war vier Jahre Staatsangestellter. Gegenwärtig studiert er Germanistik und Theaterwissenschaft. Veröffentlichungen in „Neue Wege", den „Öberösterreichischen Nachrichten" und im Jahrbuch des Kulturamtes Linz „Stillere Heimat". Schreibt auch Schau- und Hörspiele. Belobung bei der Verleihung des Stifter-Preises des Landes Oberösterreich.

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