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Das Gedicht

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WOLFGANG LOHMEYER:

AN DIE HEIMAT

Mancher fühlte dich in frommen Schauern weit noch in der Wandelsterne Spur tröstlich nah in Finsternis und Trauern, lieblich in der lächelnden Natur.

Und er wußte stets: Ich bin ergeben, eingefügt in einen großen Sinn, da ich doch mit allem meinem Leben unverlierbar Kind der Heimat bin.

Anders ich. An vielen Tand verloren, warb ich um der feilen Fremde Gunst — aber du, die mich gezeugt, geboren, Heimat! bliebst auch Heimat meiner Kunst.

Denn seit Mütter durdh die Flammen gingen und der Städte Herrlichkeit zerstob, will kein Lied im alten Klang gelingen, nicht der Stille, nicht der Sterne Lob.

Selbst die Wolken sind mir fremd geblieben,

und auf fremder Erde lehrt mich kaum eine Blume, ihren Duft zu lieben, lockt kein Rasen mich und spricht kein Baum traulich rauschend wie daheim die Linde,

und der Fluß am weidengrünen Strand schleppt sich stumm. Nur manche Abendwinde raunen vom zerstörten Heimatland.

Was versöhnend ich zu Versen füge — dein Geschick verwehrt sich solchem Bann:

kaum gereimt, im Liede wird’s zur Lüge und der Strophen Glätte klagt mich an,

wenn ich nicht, gehorsam deinen Schmerzen, erst in Demut lausche, wie dein Blut mehr denn je auch aus zerrissenem Herzen deinen stillsten Söhnen Wunder tut.

Denn du bist, seit deine Adler sanken und die Fahne dir im Sturm zerriß, reiner nur und stolzer in Gedanken und den Stillen inniger gewiß.

Nimm mich auf! Ich hab dich nie besungen,

deinen Namen nie verzückt genannt — nun jedoch, da tausend falsche Zungen jäh verstummten, grüß ich dich, mein Land!

Laß die Neider zürnen und vernichten! Deiner ungebauten Tempel First hebt sich riesig aus den Traumgesichten deiner Kinder, die du zeugen wirst!

HERBSTLICHE REIFE

Hangwärts aus den nebelfeuchten Wiesen steigt der Fichtenschlag, frühen Herbstes rotes Leuchten krönt verlornen Sommertag.

Vögel ziehn mit fremden Lauten dröhnend unterm welken Mond, nimm das letzte Gold der Rauten, kränze dich — du bist belohnt.

Will der Kuckuck nicht mehr künden? Manchen Irrtums eingedenk, stehst du vor entfärbten Gründen, nimmst den Tod als Festgeschenk.

Und du schaust auf blasse Hände, dran sich Ring um Ring verlor. Schaudernd geht der Tag zu Ende, dumpfe Stimme ruft im Rohr.

Bleibt dir nur ein Händefalten und des Nachts ein leiser Reim. Wandelst sanft durch die Gestalten, gibst dich hin und findest heim.

Wolfgang Lohmeyer, geboren 1819 in Berlin- Wilmersdorf, veröffentlichte zwei Gedichtbände. Der Südwestdeutsche Rundfunk sendete 1850 drei Hörspiele von ihm. 1949 wurde von den Städtischen Bühnen Baden-Baden sein Schauspiel „Die Liebe siegt am Jüngsten Tag“ uraufgeführt. Er erhielt den Anerkennungspreis des Kultusministeriums von Rheinland-Pfalz sowie, 1852, den Lyrikpreis der „Gruppe junger Autoren“.

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