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Der Dichter der DUsterkeit

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Zu den Büchern .Spiel im Dunkeln“. Von Graham Greene. Verlag Benziger, Einsiedeln. 312 Seiten. Und .Der Weg nach Afrika“. VonGraham Greene. Mit einem Nachwort von Peter Schi Herl I. Ein Buch der Arche im Verlag Stiasny, Graz. 160 Seiten

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Zu den Büchern .Spiel im Dunkeln“. Von Graham Greene. Verlag Benziger, Einsiedeln. 312 Seiten. Und .Der Weg nach Afrika“. VonGraham Greene. Mit einem Nachwort von Peter Schi Herl I. Ein Buch der Arche im Verlag Stiasny, Graz. 160 Seiten

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Graham Greene wurde am 2. Oktober 1904 geboren. Als Sohn aus gutem Haus. Sein äußeres Leben sollte dieser Abstammung treu bleiben: er studierte in Oxford. Geht knapp nach Beendigung seiner Stadien in die Industrie, um bald zur Journalistik überzutreten. Mit 21 Jahren wird er Direktor des „Nottingham Guardian“. Mit 26 Jahren wird er — Traum vieler Engländer — Vizedirektor der „Times“, des ältesten und feudalsten Blattes Englands. Weite Reisen unterbrechen diese Jahre seiner Tätigkeit. Reisen nach Afrika und Amerika. Im Krieg wird er Mitglied des „Foreign office“, des britischen Außenamtes. Nach dem Krieg Verlagsdirektor. Der im alten, feudalen Oxford lebt.

Daneben schreibt dieser Sohn aus gutem Haus schon bald nicht nur in. Zeitungen, sondern auch Bücher. Zuerst — seltsam bei solcher Herkunft — Kriminalreißer, in denen Verbrechertypen und Gangster in einer Weise geschildert werden, wie man sie nur einem besonders guten Kenner der Unterwelt zumuten würde. Es sind zuerst reine Kriminalreißer. Dann, im „Attentat“, taucht im Inhalt so etwas wie ein anonymes Christentum auf. Um schließlich in „Brighton Rock“, am Ende des Romans allerdings, sozusagen dem ganzen Kriminalreißer eine neue, unerwartete Wendung zu geben. Eine Wendung ins Religiöse. Die Welt schüttelte noch nicht den Kopf, denn in die Hand bekamen diese Bücher ja nur jene Leute, die Kriminalreißer lasen. Und das sind im allgemeinen sehr oberflächliche Leser.

Dann erscheinen zwei Reisebücher: die „Gesetzlosen Straßen“, ein mexikanisches Tagebuch, und „Der Weg nach Afrika“. Beide Bücher nur mehr in einem den alten Kriminalreißern ähnlich: in der unerhörten Kraft des Beobachtens und Schildern-Könnens. Und von ihnen wesentlich verschieden: daß der Autor hie und da einen Spalt öffnet und einen Blick in seine Seele tun läßt. „Der erste Eindruck, auf den ich mich erinnern kann“, heißt es in dem „Weg nach Afrika“, „war ein toter Hund auf dem Boden meines Kinderwagens“. Aus. Nichts weiter. Keine Andeutung, was dies für einen Eindruck auf das Kind machte. Nichts. Aber aus dem Leben Masaryks, der als kleines Kind den Selbstmord eines Knechtes erlebte und der sein ganzes Leben nie mehr von diesem Grauen loskam, wissen wir, was so ein Erlebnis für Folgen für das Dasein eines Menschen haben kann.

Oder, ebenfalls im „Weg nach Afrika“ heißt es: „Als ich 14 Jahre war... entdeckte ich, daß man, um das Leben au genießen den Schmerz schätzen lernen muß.“ Aus. Wieder nicht mehr. Oder in den „Gesetzlosen Straßen“: „Man begann an den Himmel zu glauben, weil man an die Hölle glaubte.“ Aus. Nichts weiter. Aber der Leser wird sich doch fragen müssen: Was für grauenhafte Erlebnisse hatte dieses Kind? Denn von selbst schreibt man nicht solche Sachen. Von selbst weiß man nichts über diese Ängste, diese Schauerlichkeiten. Sie kann man nur erlebt haben, um dann nie mehr davon loszukommen. Um mit ihnen durchs Leben zu gehen wie ein Gezeichneter. Und dann — nach diesen Reisbeschreibungen — kommen jene Bücher, die die Welt aufhorchen ließen: „Die Macht und die Herrlichkeit“, „Das Herz aller Dinge“, das „Spiel im Dunkeln“. Bücher, die größte Verbreitung fanden, begeisterte Aufnahme und schärfste Ablehnung zugleich. Teilweise bei Katholiken, was verwunderlich scheint, war doch Greene mit 21 Jahren Katholik geworden und fand sich in seinen Büchern keine Stelle, die dogmatisch anfechtbar gewesen wäre. Aber auch bei Kommunisten, die ihm den Titel „Literarisches Deprimiennädchen“ gaben. Was viele Leser entsetzte, das war diese unerhörte Düsterkeit, dieses Elend, dieses Grauen, diese Erbarmungslosigkeit, diese Verzweiflung, diese Armut, die ihnen aus diesen Büchern entgegentrat. Was sie mit Grauen sich abwenden ließ, das war eine Welt des Hasses, der Freudlosigkeit, der Ängste, der Gemeinheit, die diese Zeilen schilderten. Eine Welt, in der es keinen Humor und schon gar keine Freude gab, wie sie ein Franz von Assisi oder ein Timmermans besitzen.

Dennoch: trotz aller Ablehnung wurden seine Bücher immer begehrter. Was viele so in den Bann schlug, das war die Erkenntnis oder zumindest das Ahnen, daß die Welt, oder zumindest große Teile, in diesen Zeilen richtig gesehen und gezeichnet war. „Such is life“, so ist das Leben: für Hunderttausende, für Millionen und aber Millionen. Heute. Ein Leben des Elends, der Armut, der Verzweiflung. Der Erbarmungslosigkeif, der Düsterkeit.

Was aber die Christen so sehr an diesen Büchern fesselt, das ist die Tatsache, daß ihnen hier endlich Literatur geboten wird, die keinen rosarot gefärbten christlichen Optimismus in Gartenlaubemanier mehr enthält, sondern eine Literatur, die sie einer Welt gegenüberstellt, so wie sie wirklich ist und sie — das ist das große Geheimnis dieser Bücher — zu dem großen Erbarmen aufruft: zu jenem Erbarmen, daß einen Franz von Assisi arm werden ließ, um den Armen den Reichtum zu bringen. DDr. Willy Loren

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