Der die Badeschlapfen nichts anhaben
Romina Pleschko kreiert eine Heldin, die den Zumutungen des österreichischen Kleinstadtlebens gewachsen ist.
Romina Pleschko kreiert eine Heldin, die den Zumutungen des österreichischen Kleinstadtlebens gewachsen ist.
S chon wieder ein Dorf, schon wieder eine Außenseiterin, schon wieder ein Anti-Heimatroman. Wieso sollte man das lesen und nicht einfach unter P wie Pleschko, Romina in das umfangreiche Regal österreichischer Anti-Heimatliteratur zwischen A wie Adler, Helena, B wie Bernhard, Thomas und W wie Winkler, Josef einordnen? Die Antwort ist banal, aber es gibt keine relevantere für ein Lesepublikum, das nicht an einer wissenschaftlichen Abhandlung über ebenjenes ur-österreichische Genre interessiert ist, sondern daran, während der Lektüre klug unterhalten zu werden: Romina Pleschkos neuer Roman „Offene Gewässer“ ist von der ersten bis zur letzten Seite unterhaltsam, überraschend und witzig, ohne sich beständig als Kommentar zu vorhandenen literarischen Traditionslinien behaupten zu wollen. Pleschko kann sich voll und ganz auf ihre ungewöhnliche Heldin Elfi, ihren Sprachwitz und ihr Gespür für Komik verlassen.
Schelmin als Antiheldin
Ihre Heldin ist eine Antiheldin, eine Schelmin, wie der Klappentext ausnahmsweise sehr zutreffend verkündet. Trotz der picaresquen Anklänge ist sie individuell gezeichnet und bleibt nicht auf ihr humoristisches Potenzial beschränkt. Zunächst ist sie nicht unbedingt auf die Butterseite des Lebens gefallen: Von einem Prozess gegen die Eltern ist die Rede, was genau passiert ist, bleibt im Dunkeln, doch Elfi landet im Stuttgarter Kinderheim. „Ein Start ins Leben wie eine Karikatur.“ Mit dem Taxi wird sie schließlich zur unwilligen Großmutter nach Liebstatt in die oberösterreichische Provinz verfrachtet, wo es ihr deutlich weniger gefällt als im Kinderheim. Sie meint es oft gut, nur die Kollateralschäden sind ihr leider egal, etwa wenn sie, um Gesellschaft zu haben, ein Hühnerei ausbrüten will und zu diesem Zweck ihre Freundin bittet, die Rotlichttherapielampe gegen Depressionen ihrer Mutter zu entwenden: „Kathrins sich daraufhin rapide verschlechternde Familiensituation nahm ich in Kauf.“ Der Versuch der sozialen Mutterschaft scheitert als vor sich hin faulendes Hühnerei, die Großmutter ist naturgemäß wenig erfreut. Wenig erfreut, ist sie auch über Elfis erzwungene Anwesenheit. Das klingt nach einer tragischen Kindheitsgeschichte, doch Elfi ist resilient und weiß sich in ihrem bescheidenen Spielraum zu verschaffen, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, notfalls mit kleinkriminellen Mitteln. Sie zeigt sich für die Leser
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