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Der Feind: die Spitzhacke

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Die Szene ist beinahe martialisch. Eine große Spezialkarte, beschwert an allen vier Ecken, liegt auf dem Tisch. An der Wand hängen Skizzen und Pläne. Mit ernster Miene spricht ein Mann vor einem geladenen Kreis. Es schaut wirklich aus nach einem Kriegsrat ...

Und es war auch ein „Kriegsrat“, den der Präsident des Bundesdenkmalamtes, Dr. Demus, vor kurzem mit der Wiener Presse hielt. Der Feind: die Spitzhacke. Das Ziel des Kampfes: die Erhaltung und Sanierung der alten Wiener Stadtviertel, die Bewahrung der Reste jenes Wiens, das nicht nur den Wienern teure Heimat, sondern auch oft den Fremden Ziel ihrer weiten Reise ist.

Mit einem gewissen utilitaristischen Denken und den ihm entspringenden Plänen liegt das Bundesdenkmalamt in einer permanenten Fehde. Es ist eine Auseinandersetzung, die sich bisher wenig vor den Augen der Oeffentlichkeit abgespielt hat. Es gab Erfolge und Niederlagen. Das neue Haas-Haus ist für erstere, das Verschwinden der Fischerstiege für letztere ein Beispiel. Aber gerade der Erfolg beim Bau des Haas-Hauses — dem bekanntlich eine heftige publizistische Kampagne vorangegangen war — gab der Leitung des Bundesdenkmalamtes die Gewißheit, daß sie nicht einsam auf verlorenem Posten gegen den Geist der Zeiten ankämpft, sondern daß sie nicht unwichtige Verbündete in der Presse aller Farben und Richtungen hat.

Genau so wte Mangel an Verständnis oder eine rücksichtslose Reißbrettstrategie sich nicht an Parteigrenzen halten, genau so gibt es in diesem oder jenem politischen Lager Menschen, die Sorge um das Antlitz ihrer Vaterstadt haben. Das Bundesdenkmalamt weiß Beispiele für beide. Diese Feststellung ist wichtig: gilt es doch von allem Anfang an die Anliegen des Denkmalschutzes aus der politischen Frontstellung herauszuhalten. Hier überkreuzen sich vielmehr oft die Linien.

Das Bundesdenkmalamt will in seinen Anliegen aus der Defensive in die Offensive übergehen. Und es hat — das darf wohl gesagt werden — nicht umsonst um Unterstützung seiner Anliegen durch die Presse ersucht.

Die Gründe sind offenbar. Wir nähern uns einer besonderen „Gefahrenzone“. Allgemein verbreitet ist die Ansicht, daß unsere Zeit viel größeres Verständnis für die Bewahrung kostbaren Erbes aufbringt als vergangene Jahrzehnte. Das ist richtig — vor allem, wenn wir uns daran erinnern, wie bedenken- und widerspruchslos einstens „die Gründer“ am Ausklang des 19. Jahrhunderts Kostbarkeiten auf Kostbarkeiten der Spitzhacke zum Opfer brachten. Allein, wer die Zeichen der Zeit — wirtschaftliche Hochkonjunktur, sprunghafte Motorisierung und andere mehr — zu deuten versteht, fragt sich manchmal: Nähern wir uns nicht vielleicht einer zweiten „Gründerzeit“? Und besteht nicht die Gefahr, daß die „Gründer im Nylonhemd“ ihren Urgroßväter, den „Gründern mit dem Vatermörderkragen“, an Be-denkenlosigkeit in nichts nachstehen, sondern das noch vernichten, was jene an alten Werten übergelassen haben?

Das Bundesdenkmalamt setzt diesen Gefahren einen konkreten Plan entgegen. An seinem Beginn steht die Forderung auf genaues Studium der einzelnen Stadtviertel. Aus ihm wird man dann auch auf alle jene Objekte rechtzeitig aufmerksam werden, die einer Sanierung bedürfen. Sind diese einmal bezeichnet, dann ist die Stunde für eine Ueberprüfung durch u n-abhängige Fachleute gekommen. Das Bundesdenkmalamt warnt in diesem Zusammenhang auch mit Recht davor, sich von optischen Eindrücken allzu leicht täuschen zu lassen. Unschwer zu behebende Putzschäden und gestützte Plafonds, die nur eine Erneuerung der Dippelbäume erfordern, lassen ein Haus auf den ersten Blick oft als baufällig erscheinen. Und erst, wenn diese Augen nur allzu gerne auf höheren Auftrag die Diagnose „rettungslos baufällig“ erkennen wollen! Hat man aber nun einen Ueberblick, so muß — Block auf Block — an die Ausarbeitung eines Assanierungsplanes gegangen werden. Lind das Schwierigste steht am Schluß: die Gründung eines Assanierungsfonds, der aus verschiedenen Quellen — allen voran Bund und Gemeinde — gespeist werden muß.

Das sind die Etappen im Kampf des Bundes-denkmalamtes um die Erhaltung der Wiener Altstadt, zu dessen Unterstützung die Presse aufgefordert wurde. Die „Furche“ sagt ihrerseits nicht nur herzhaft „ja“, sie ist froh, daß das Bundesdenkmalamt aus der Defensive zur Offensive übergegangen ist.

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