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Der Film kam zu Dürrenmatt-Ehren

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Wir verdanken Friedrich Dürrenmatt eine Ehrenrettung des deutschsprachigen Dramas (das allein er neben Max Frisch unter den Lebenden repräsentativ vertritt), verdanken ihm den Entwurf einer Wege weisenden Dramaturgie, etwas abseits von seinen Hochleistungen auch die Rettung des literarischen Kriminalromans und nun einen beispielgebenden Impuls für unsere Film„kunst“. — „Es geschah am hellichten Tag“ (nach dem Roman „Das Versprechen“) ist in seiner Art vollendet, da das selbstgesetzte Maß erfüllt ist: ein technisch perfekter, moralisch klarer, in Story und Dialog stichhaltiger Kriminalfilm, der sich niemals übernimmt, also Filmdichtung vortäuscht, aber auch niemals unterbietet und zu den Reizen des Thrillers greift. — Hier haben sich der Ideenstifter Dürren-matt, der Regisseur Ladislao V a j d a und alle ihre Helfer als Meister in der Beschränkung erwiesen. Daß ein Poet Spiritus rector war, ist nur an den (entscheidenden) Kleinigkeiten zu merken, die das Publikum registriert, wenn es das Gefühl hat, auf der Leinwand vollziehe alles sich „richtig“ und „natürlich“; ist zu merken an der Unvoreingenommen-heit, mit der die Gestalt des Mörders gezeichnet ist (ein Weniges mehr an Motivierung und Mitleid wäre schon Verteidigung, etwas weniger schon Unmenschlichkeit); zeigt sich nicht zuletzt an einer unaufdringlichen, deshalb besonders wirkungsvollen Kritik an der juridischen Praxis, der ein Geständnis oft mehr am Herzen zu liegen scheint, als die Wahrheit. — Gespielt wird mit der Noblesse großer Könner: Heinz Rühmann überrascht wieder mit seiner Wandlungsfähigkeit, obwohl er sich doch eigentlich niemals naturalistisch „verwandelt“. Voici: eine Persönlichkeit! Vorzüglich auch Michel Simon, Ewald Baiser (er kann so schlicht sein, wenn er mag und wenn man ihn läßt), Gert Frohe, Berta Drews und Maria Rosa Saigado. Durch sie sind die Bilder in „Es geschah am hellichten Tag“ zu Vor-Bildern geworden: künstlerisch in der Dosierung der Mittel und sittlich in einer humanen, doch unnachgiebigen, wissenden Haltung gegenüber dem Verbrechen, die den Glauben an Gerechtigkeit bestärkt.

Herrn Dr. Hoflehner ist von der österreichischen Justiz Unrecht geschehen. Man hat ihn rehabilitiert, er wurde bedauert und bewundert, am lautesten von jenen, die vorher, als seine Unschuld noch nicht eWiesen war, seine gnadenlose Verurteilung forderten. So wurde sein „Fall“ die beste Mahnung an die Obrigkeit, der lautstarken Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe kein Gehör zu schenken. Mit gemischten Gefühlen hören wir jetzt von der Verbeugungsreise Dr. Hoflehners zu den Erstaufführungen des Films „Gestehen Sie, Dr. Corda“. Was soll man davon halten? Ist unersättliches Selbstmitleid das Motiv? Oder ist trotz des glimpflichen Ausgangs seines Prozesses das Vertrauen des Doktors so weit erschüttert worden, daß er als einziges Kommunikationsmittel nur noch das bare Geld anerkennt? Wie dem auch sei — wenn außerdem noch Memoiren aus der Untersuchungshaft erscheinen sollten, bürgen wir nicht mehr für gute Nachrede. Der Film wird immer dann peinlich, wenn er besonders tatsachengetreu sein möchte. Den Fäustelmord beispielsweise hätte uns die Regie (Josef von Baky) in so läppischer Ausführlichkeit ersparen können. Und das Gefühlsbrimborium rundum mag vielleicht im Leben echt sein, auf der Leinwand wirkt es arrangiert. Ansonsten ist der dramaturgische Aufbau (R. A. Stemmle) geschickt, was sich am besten darin zeigt, daß die bis zum Ueber-druß bekannte Story dennoch zu packen versteht. Hardy Krüger spielt radikal' sein Temperament aus (wird es uns einmal vergönnt sein, ihn nicht „schweißüberströmt“ zu sehen?). Elisabeth Müller — sehr glaubwürdig und verhalten. Brillant die Charakterstudie von Roma Bahn.

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