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Dichtergruß an die Wissenschaft

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Der Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Graz, Prälat DDr. Andreas Posch, vollendete dieser Tage das 70. Lebensjahr. Sechsmal stand er als Dekan an der Spitze der theologischen Fakultät der Universität Graz. Für seine Leistungen erhielt er 1952 die Prälatenwürde. Er gehört auch dem bischöflichen Konsistorium als wirkliches Mitglied an. Zu seinem Geburtstag erreicht uns folgender ungewöhnlicher Brief der Dichterin Paula G r o g g e r, der auf ihre Krise durch die seinerzeitigen Angriffe auf das „Grim-mingtor“ und die segenvoll schützende Hand des Jubilars anspielt. Er ist ein menschliches Dokument. „Die Furche“

Hochgeehrter, hochwürdiger Freund Mon-signore Dr. Andreas Poschl

Dieser Brief zu Ihrem 70. Geburtstag wurde geschrieben, weil ich um diese Zeit auf einer kleinen Reise bin, und dann auch, weil ich dazu eingeladen bin, meine große Wertschätzung für Sie, Herr Professor, öffentlich zu bekennen. Es fällt mir in Anbetracht Ihres akademischen Grades nicht gerade leicht. Zwar ist es der Brauch, daß Gelehrte sich über Dichter i äußern, daß aber Dichter einen Gekhrten-bew- teilen, kommt selten vor und ist eine Kunst für ' sich. Wenn ich mich dennoch in dieser Kunst versuche, so geschieht es in der bescheidenen Erkenntnis, daß ich nicht für sie zuständig bin, weil ich, an dichterische Freiheit gewöhnt, mich schwer der akademischen Denkform einordne, und dann auch, weil mein intuitives Wissen und meine Erfahrung nur hinreichen, das absolut und zeitlos Gültige einer Persönlichkeit zu würdigen. Zur Darstellung aller Besonderheiten innerhalb einer theologischen und pädagogischen Laufbahn muß ich alte Volksschullehrerin schon zu jenem Mittel greifen, das meinen und den Schülern aller Zeiten noch immer geholfen hat. Freilich wird es der eigenen Biographie abträglich sein, um so besser ist es für die Biographie unseres verehrten Jubilars, wenn ich mich an verläßliche Vorbilder halte. Denn Hand aufs Herz: Was taten selbst die größten Dichter, ehe sie wußten, daß sie Dichter würden? Sie schrieben zuerst einmal gewissenhaft das Abc nach. Ich habe das Abc in einer zweiklassigen Volksschule geübt, deren tüchtiger Oberlehrer später Bezirksschulinspektor und noch später mein Vorgesetzter wurde. Diesem Gesetz und der Lehrerfamilie treu — sechzig Jahre nach meiner ersten Stilbeschäftigung — beglückwünsche ich

Sie heute, den ich vertrauend schätze und verehre. Vielleicht, weil auch Sie einer naturnahen Heimat entstammen, vielleicht, weil Sie, bevor wir uns kannten, bildlich gesagt, schon mein Schulkamerad gewesen sind in den kleinen, vollgestopften Bänken der großen Monarchie, darin man das Abc, das Einmaleins und den Idealismus gründlich eingedrillt bekam.

Zu den vielen Anerkennungen von Kirche und Staat, zur aufrichtigen Ehrbezeigung, die besonders Historiker — Kollegen und Studenten — Ihnen, dem Kirchenhistoriker, darbringen, zum Dank aus Freundeshand sei zuletzt der Dank Ihrer alten Freundin gefügt, die Sie in Oesterreich aus der literarischen Feuertaufe gehoben haben, Die anderen Herrn, Goden, Viktor von Geramb, Adalbert von Drasenovich, die Pastoren Ulrich und Pohl, Professor Pen-nersdorfer und der junge List, haben goldgewichtige olympische Chrysentaler dazu gestiftet, Anno 26 im großen Festsaal der Leogesellschaft. Und Sie standen zu Ihrem Wort, auch später, als die Glorie der Feuertaufe ein grausames Fegefeuer wurde. Daß ein unreifer Mensch, zwischen Erfolg und Mißerfolg--zwischen Eitelkeit und Verzweiflung hin und her gehetzt, nicht irre wird, daß ein Mensch treu bleibt, ist zum Teil Charakteranlage, zum Großteil jedoch das Verdienst eines souveränen, großherzigen, großzügigen, unbeirrbar gerechten Beistandes. Ein solcher Beistand, kaum durch Altersunterschied, wohl aber durch das Lehrfach Kirchengeschichte und durch die Gnade der Priesterschaft weiser, ein solcher „Rektor“ hat über meinem ersten „Rigorosum“ die Hand gehalten. Nämlich Sie, lieber Freund. Und als mit dem Zeitwandel andere Pharisäer zwar nur den irdischen Brotkorb gefährdeten, hat wiederum Ihre gesegnete Hand ein paar erfreuliche Zubußen sozusagen aus Gottes Privatschatulle flüssiggemacht und mir demnach zu weiteren Rigorosen verholfen.

Diesen Beitrag zu Ihrem Jubiläum bin ich der Welt schuldig. Es ist kein Text für eine Buchbiographie oder für ein Lexikon. Es ist nur ein Brief — es ist ein Dichtergruß —, aber die Wahrheit. Nehmen Sie, bitte, mit allem Guten, was Ihnen heute geschenkt wird, auch den herzlichen Dankeswunsch entgegen, daß Ihnen die alten und die jungen Steher zum Achtziger wieder gratulieren dürfen.

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