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Der 11. September als Putschversuch amerikanischer Militärs? Friedrich Schiller als Retter des Weltwirtschaftssystems? Zwei von vielen krausen Thesen, die das Wiesbadener Schiller-Institut - auch in Österreich - verbreitet.

D raußen im Foyer ist die Welt noch in Ordnung. Draußen, neben der Büste des ehemaligen Bundespräsidenten, gibt man sich unverkrampft, da wird getratscht und getuschelt, gescherzt und freundschaftlich begrüßt. Doch kaum sind die Türen zum Saal des Dr.-Rudolf-Kirchschläger-Heims im vierten Wiener Gemeindebezirk geschlossen, beginnt der gemeinschaftliche Kampf gegen das Unheil der Welt. Das Böse trägt vielerlei Namen: Es heißt "Henry Kissinger" und "Samuel Huntington", "Alan Greenspan" und "Ariel Scharon". Und das Böse intrigiert. Das wissen nicht nur die 25 Versammelten. Das hat schon Friedrich Schiller in seinem Roman "Der Geisterseher" ans Tageslicht gebracht.

Helga Zepp-LaRouche ist vielen bösen Geistern auf der Spur. "Was ich sage, wird einige Leute schockieren", warnt die Präsidentin des "Internationalen Schiller-Instituts, Vereinigung für Staatskunst" das Publikum am Abend des 20. März. Tatsächlich entwickelt sie ein so komplexes Weltuntergangsszenario, dass es selbst treuesten Lesern der Neuen Solidarität - der deutschsprachigen Wochenzeitung des Schiller-Instituts - die Sprache verschlägt. Ihre Conclusio: Nicht etwa das Agieren Osama Bin Ladens, sondern die Tatsache eines "hoffnungslos bankrotten Weltwirtschaftssys-tems" habe zu den Anschlägen vom 11. September geführt. "Elemente aus dem Militär- und Geheimdienstmilieu" hätten einen Putschversuch unternommen, um die Vereinigten Staaten in einen wirtschaftsfördernden Krieg der Zivilisationen hineinzuzwingen. "Das ist der Stoff, aus dem die Weltkriege sind", weissagt die deutsche Mittfünfzigerin.

Lüge aus Staatsräson

Beweise für diese Theorie bleibt Zepp-LaRouche dem Auditorium schuldig. Vielmehr verweist sie auf "Indizienketten" - und auf die Studie der hauseigenen Nachrichtenagentur EIRNA (Executive Intelligence Review). Titel des Machwerks mit einer Auflage von 2.000 Stück und dem stolzen Preis von 50 Euro: "11. September. Die Lüge aus Staatsräson und ihre verhängnisvollen Konsequenzen". Sehr konkret erklärt sie dagegen das von ihrem Mann Lyndon LaRouche verkündete "Weltrekonstruktionsprogramm": Nötig sei demnach eine Reorganisation des internationalen Finanz- und Währungssystems zu einem "neuen Bretton Woods", die Ablöse der "nachindustriellen Informationsgesellschaft" durch eine neue Industriegesellschaft, der Wiedereinstieg in die Kernenergie und schließlich der Bau der so genannten "Eurasischen Landbrücke", die in Form eines Energie-, Wasser- und Kommunikationskorridors entlang der alten Seidenstraße bis nach China führen soll.

Was Friedrich Schiller mit alldem zu tun hat, wird dem perplexen Publikum vom Osteuropa-Redakteur der Neuen Solidarität, Alexander Hartmann, erklärt: Um den drohenden "Krieg der Zivilisationen" zu verhindern, bedürfe es des "Dialogs der Kulturen". Im Sinne der Schillerschen "Universalgeschichte" sollten Schülerinnen und Schüler die "besten Epochen der jeweiligen Kulturen" kennenlernen. Deutsche Klassiker im Original zu lesen gehöre ebenso dazu wie das Studium indischer Sanskrit-Dramen oder chinesischer Malerei.

Umso größer sei tags zuvor die Erschütterung im nahen Perchtoldsdorf gewesen, klagt Zepp-LaRouche. Im Rahmen der 6. Internationalen Schiller-Gespräche sollten mehrere hundert Schüler aus Österreich, Deutschland und der Slowakei ihre Projekte zur klassischen Dichtung präsentieren. Doch statt Schillerscher Helden habe man nur Heroen der Unkultur erspäht: Harry Potter, Lara Croft und Pokémon. "Da war nur tabula rasa", entrüstet sich die Präsidentin des Schiller-Instituts. Der Unterschied zwischen Heine und Schiller sei der Jugend von heute fatalerweise einerlei. "Alle wollen nur so aussehen wie Britney Spears."

Schiller statt Pokémon

Ein Unding auch für Wolfgang Greisenegger, Dekan der Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien - und regelmäßiger Gast bei den Schiller-Gesprächen. Gemeinsam mit Klassik-Fans wie Zepp-LaRouche, der Regisseurin Andrea Breth oder dem Chef vom Dienst der Niederösterreichischen Nachrichten, Thomas Jorda, sollte er am 18. März zum Thema "Klassik - Verzicht oder Notwendigkeit?" diskutieren, war jedoch an der tatsächlichen Teilnahme verhindert. "In den Klassikern sind durchaus Werte enthalten, die es zu bewahren gilt", erklärt Greisenegger gegenüber der furche. Mit dem Wiesbadener Schiller-Institut teile er diese seine Überzeugung - mehr aber auch nicht. "Was die sonst verbreiten, ist Stumpfsinn."

Glaubt man dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, müssten seine Ressentiments freilich größer sein: Dort verweist man beim Stichwort "Schiller-Institut" auf das Handbuch des deutschen Rechtsextremismus aus dem Jahr 1996. Demnach sei das 1984 von Zepp-LaRouche gegründete Institut - ebenso wie die 1974 von ihr ins Leben gerufene "Europäische Arbeiterpartei" und die 1992 gegründete "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" (BüSo), die auch bei der deutschen Bundestagswahl im September dieses Jahres antreten wird - Teil eines multinationalen Geflechts von Verlagen und Organisationen des amerikanischen Rechtsextremisten und mehrmaligen US-Präsidentschaftskandidaten Lyndon LaRouche. "Die von antisemitischem und autoritärem Gedankengut durchdrungene Programmatik der LaRouche-Parteien erscheint als ein willkürliches Gemenge aus Theorien von auch linken Philosophen, Schriftstellern und Sozialwissenschaftlern", heißt es in dem Handbuch. Verwiesen wird zudem auf ein "bekanntes Zitat" des 1922 geborenen Millionärs LaRouche: "Es ist nicht notwendig, braune Hemden zu tragen, um ein Faschist zu sein. [...] Es ist nicht notwendig, ein Hakenkreuz zu tragen, um ein Faschist zu sein. [...] Es ist nicht notwendig, sich selbst Faschist zu nennen, um ein Faschist zu sein. Es ist einfach nur notwendig, einer zu sein!"

Auch in der Informationsbroschüre "Sekten - Wissen schützt vor Missbrauch" des Österreichischen Familienministeriums aus dem Jahr 1999 wird Lyndon LaRouche breiter Raum gegeben. "Die Europäische Arbeiterpartei/Bürgerrechtsbewegung Solidarität' hat keinen religiösen Hintergrund, verfolgt aber politische Weltverbesserungsstrategien", stellt man darin fest. "Das Menschenbild von LaRouche ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch die Fähigkeit haben soll, die gesetzmäßige Ordnung des Universums aufzuspüren und die Welt sich mehr und mehr untertan zu machen'. Daraus resultiert ein extremer Wissenschafts- und Fortschrittsglaube." Die Gegner dieser Bewegung seien klar ausgemacht (darunter die Bank of England oder der Club of Rome) und gälten als Teil einer weltweiten, sich durch die gesamte Geschichte ziehenden Verschwörung gegen das Leben, die Wissenschaft und den Fortschritt.

Probleme mit Justiz

Gegen derlei Vorwürfe, vor allem gegen das oft zitierte Faschismus-Zitat LaRouches, wehrt sich das Schiller-Institut regelmäßig in der Neuen Solidarität. Erst in der Ausgabe vom 24. April publizierte man wieder eine "Richtigstellung" dieses Satzes. Zwei Seiten später übt man sich auch in Ehrenrettung von Jacques Cheminade. Dem Vorsitzenden der Bewegung "Solidarité et Progrès", die aus der 1989 aufgelösten "Europäischen Arbeiterpartei" her-vorgegangen war, sei die Kandidatur bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2002 durch Intrigen verunmöglicht worden. Tatsächlich hatte Cheminade - wie schon LaRouche - wiederholt Probleme mit der Justiz. Der Franzose wurde 1992 zu 15 Monaten Haft auf Bewährung wegen Diebstahls verurteilt, LaRouche 1989 zu 15 Jahren Haft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Fünf Jahre später wurde er freigelassen. Wie überall vermutet das Schiller-Institut auch hier dunkle Machenschaften. So sei ihr Übervater unbescholten und das Opfer einer Intrige Henry Kissingers gewesen.

Solche und viele andere Verschwörungstheorien, zuletzt vor allem mit Blick auf Israel, kredenzt die Neue Solidarität insgesamt 12.000 Abonnenten im deutschsprachigen Raum. Rund 300 Exemplare liefert die Dr. Böttiger Verlags-GmbH mit Sitz in Wiesbaden nach Österreich.

Fans in Österreich

Einer der eifrigsten Leser hierzulande ist Gottfried Pratschke. Jede zweite bis dritte Nacht sendet der über 80-Jährige unter dem Titel Unser Strom rund 1.200 Faxe an Zeitungsredaktionen und Politiker. Der "langjährige Journalist" spricht sich mit Verve für Atomkraft aus und bekämpfte daher mit Leidenschaft die Temelín-Kampagne der ansonsten von ihm geschätzten Kronen Zeitung. Die Neue Solidarität bezeichnet Pratschke als "großartig", wenngleich er das darin propagierte Festhalten an fixen Währungswechselkursen für "zu fanatisch" hält.

Ein zweiter prominenter Abonnent ist Peter Wolsdorff, Initiator der jährlichen Schiller-Gespräche und noch bis August Intendant des Stadttheaters St. Pölten. "Die Kooperation mit dem Schiller-Institut bezieht sich nur auf das Künstlerische und nicht auf das Politische", verteidigt sich Wolsdorff gegenüber der furche. Die Berichterstattung der Neuen Solidarität selbst quittiert er mit Wohlwollen. An den politischen Artikeln schätzt er die "tollen Quellen", wenngleich er sich von der dahinterstehenden politischen Kraft distanziert. "Das mit dem Putsch, das lese ich und denke mir, was soll's." Ihm gehe es vor allem darum, auf die Wichtigkeit von Kunst und Pädagogik hinzuweisen, aufgebaut auf den ästhetischen Briefen Schillers, wonach der Mensch in der Natur und im Geistigen lebe. Darin stimme er mit den Wiesbadenern überein. "Und wenn es beim Schiller-Institut über die Kunst nicht mehr geht - na dann baba."

Bei der Niederösterreichischen Landesakademie, die Wolsdorffs Institut "Neue Impulse durch Kunst und Pädagogik" per Dreijahresvertrag fördert, sieht man diese Zusammenhänge nicht ganz so entspannt. Von der Neuen Solidarität, die umfangreich über die Perchtoldsdorfer Schiller-Gespräche berichtete, hat man noch nie etwas gehört. Grundsätzlich habe man auf das Programm des Instituts keinen Einfluss, erklärt Roswitha Straihammer auf Anfrage der furche. "Herr Wolsdorff hat von unserer Seite keine Auflagen. Hauptsache, das Logo der Landesakademie kommt vor."

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