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Die Haydn-Stadt

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Den Vergleich mit ihrer mozartischen Schwester an der Salzach hält sie allerdings nicht aus. Sie liegt nicht wie diese inmitten romantischer Berglandschaft, hat nicht die wundervolle italienische Melodie in ihren Bauten, nicht den Prunk der Kirchen, und vor allem: sie ist schwerer erreichbar. Drei volle Stunden bummelt der Zug durch stilles reifendes Land, kaum einige Hügelketten unterbrechen die Weite der Felder, anstatt der Glockenspiele und rauschenden Achen grüßt bäuerliches Gänsegeschnatter und Gackern der Hühner ein heute freilich recht sympathisches Willkommen, und der Staub der Straße ist in ländlicher Fülle vorhanden.

Ja, hier ist Land. Soviel Land, daß die Stadt darin versinkt. Nicht eine Kirchturmspitze von E i s e'n S t a d t ragt über das Land hinaus in die Welt. Es gehört noch ganz tief, ganz unentdeckt den Österreichern. Weit entfernt vom Kontrapunkt des Ge-schäftemachens taucht der Schatten eines Großen auf, dessen menschliche Lauterkeit und musikalischen Genius wir gleichermaßen verehren: Joseph Haydn, Genie einer an Genies reichen Zeit aus dem Herzen Österreichs oder, geographisch genauer, aus Österreichs östlicher Meile. In dem Eszterhazyschen Schloß, das hier aus den Wiesen wächst, hat sich eine Zeitepoche, die wir ausdrucksarm Rokoko nennen, ihre Musiksubstanz geformt, die in atemberaubender Schnelligkeit in Salzburg zu höchster Vollendung gedieh. Symphonien, Messen, Kammermusik, uns heute noch lebendigster Besitz und volkstümlicher denn je, begannen hier zu entstehen und die Welt zu erobern. Und noch die großen Oratorien der Spätzeit Haydns holen ihren landschaftlichen Zauber aus diesem weltvergessenen Erdwinkel und seiner bäuerlichen Schlichtheit. Und da man sich jetzt dieser Tatsachen erinnert, den Festsaal des Schlosses mit seinen leuchtenden Fresken wie ehedem in seiner Glanzzeit zum Schauplatz musikalischen Erlebens macht, schenkt man letzten Endes dem Österreicher, was des Österreichers ist, obgleich es längst der ganzen Welt gehört. Aber hier, in dieser Stadt, in diesem Saal gehört es ihm allein, denn nur ihm ersteht hier der Geist der Heimat in Tönen, und macht die Welt vergessen; die Welt, die er in Salzburg zu Gast lädt und durch Mozart bezwingt.

Eisenstadt ist sein Refugium; hier ist er bei sich daheim, und betrachtet sich im tönenden Spiegelbild seines schlichten Menschentums und seines formenden Geistes.

In diesem Sinne vermögen die Eisenstädter Haydn-Spiele eine Kraftquelle des öster-

Volk um den österreichischesten aller Österreicher geschart.

Mag es so bleiben! Es ist im höchsten Sinne zeitgemäß — den Bummelzug ausgenommen. Franz Krieg reidiertums zu werden. Die stimmungsvolle Aufführung der „S c h ö p f u n g“ im Festsaale unter Ferdinand Großmann bewies es. Es war ein heimatliches Fest, man war Gast bei Joseph Haydn, Regierung und

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