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Die verfluchte Straße

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„Via mal a“, ein deutscher Film aus den Jahren 1943/44 nach dem weitgereisten, umstrittenen Roman (in einigen Augenblicken hat man das Gefühl: nach der auch In Wien seinerzeit von den Exl-Leuten eindrucksvoll gespielten Bühnenfassung) von John Knittel, ist ohne Zweifel ein starker Film. Von den zwei tragenden Elementen des Romans, dem Zusammenstoß von Pflicht und Liebe in der Gestalt des Amtmannes, der einen Mordfall in einer samt und sonders verdächtigtet, ihm nahestehenden Familie zu untersuchen hat, und dem dämonischen Schatten des verkommenen Mordopfers (vor und nach seinem Todl), über die Lebenschronik der ganzen Sippe, konnte vieles, wenn auch nicht alles in den Film hinübergerettet werden. Dabei gelang es der Regie und der Kamera, durch eine besondere unheimliche Bild- und Klangkulisse (die Sägemühle am tosenden Wasserfall) den vehementen, vielfach leider brutalen dramatischen Akzenten der Vorlage noch spezifisch filmische hinzuzufügen. Die sonstigen, übrigens nicht unbedeutenden Abweichungen vom Original in einzelnen Rollen und Motiven sind diskutabel. Eine zweitrangige deutsche Darstellergarnitur wächst sichtlich mit der verpflichtenden Aufgabe und bietet eine geschlossene Leistung, ohne freilich verhindern zu können, daß 6ich da und dort der Wunsch nach einer wirklich bedeutenden Besetzung mit einer der unvergeßlichen deutschen Künstlerpersönlichkeiten (Mosheim, Koppenhöfer) einstellt. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß mit diesem Film ein eigenartiges Werk der Literatur mit seinen dämonischen Licht- und Schattenseiten eine konturenscharfe Nachzeichnung gefunden hat.

Die dichterische Vertiefung der Kriminalatmosphäre, die diesen Film auszeichnet, ist in einem anderen deutschen Film, „Das G eheimnisdeshohenFalken, zu handfester Kolportage verflacht. Trotzdem noch eine achtbare Arbeit. (Vorbehalte gegen die zwiespältige Lösung des Ehedreiecks.)

Die vier „Amerikaner“ der Woche führt ein robustes Stilexperiment an Gogols unverwüstlichem „Revisor“ an, an dem sich unter anderem schon vor etwa 15 Jahren ein spröder Regieversuch von Gustaf Griindrjens die Zähne ausgebissen hat. Der Film heißt jetzt „The Inspector General“ und ersetzt durch burleske, drastische Komik, was er der spezifisch russischen Satire der Vorlage schuldig bleibt. Von zwei privaten, intimeren Stoffen ist der ehrgeizigere „Frau in Notwehr“, eine aufgeregt brodelnde Mischung von kriminellen und psychoanalytischen Spannungs-elcmenten; eine anerkennenswert saubere Lösung nach wirren Ehe- und Scheidungskonflikten gibt der glänzend gespielte Film „Zwischen zwei Männern“. Ein Nachzügler aus den Jahren, da man auch über dem großen Wasser mit allen — hier sehr hausbackenen Mitteln — für Krieg Stimmung zu machen gezwungen war, ist „M eine bessere Hälfte“. Wenn solcher Lebzeltenpatriotismus wirklich die bessere Hälfte Ist, ziehen wir die schlechtere vor.

Mit geradezu erschütternder Offenheit haben uns übrigens in den letzten Jahren alle bedeutenden Nationen der Erde vorexerziert, wie auch bei ihnen in dieser Zeit der Film nach Dirnenart — schlangenklug und willig — die Arme für Tendenz und Propaganda weit ausgebreitet hat. Ein wahrhaft bedrückendes Kapitel der Filmchronik. Und ein düsterer Ausblick auf allfälllge Möglichkeiten in Gegenwart und Zukunft ... Hier liegt ein böser Irrweg des Films, eine tragische Via mala, quasi in Großaufnahme vor uns.

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