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Dokumentation und Spiel

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Der Personenkult, der im Kunstbetrieb ebenso floriert wie in der Politik, mag zu dem Titel der mehr als einstündigen Retrospektive über 50 Jahre Salzburger Festspiele „Von Reinhardt bis Karajan“ geführt haben. Merkwürdig, wie abgedroschen das Thema bereits ist, and so war es den an dieser Produktion Beteiligten kaum möglich, etwas Unbekanntes oder ivirklich Interessantes ins Bild zu bringen oder mitzuteilen. Falls man aber bei diesem Film an uninformierte ausländische Gäste oder Einheimische gedacht hat — was sollen sie mit den vielen Namen und sekundenschnell wechselnden alten Standfotos anfangen?

Nach angeblich jahrelangen Recherchen hat der Holländer Sam Wagenaar ein Dokumentationsspiel über M ata H ari geschaffen, die von den Franzosen als Spionin verurteilt und 1917 in Vincennes erschossen wurde. Wer war schuld an ihrem Tod? Der französische Generalstab, der die Öffentlichkeit von der katastrophalen Lage an der Front ablenken wollte und eine Sensation brauchte — und das „Deuxieme Büro“, das ihm den Gefallen tat und die berühmte Tänzerin und Lebedame schnappte. Sie selbst war, nach Wagenaar, das reinste Lamperl. Freilich, wenn man sich so blöd anstellt, wie es nach diesem „Dokumentationsspiel“ die Mata Hari getan hat, dann ist es unausweichlich, daß man bald erwischt wird. Luise Martini spielte die Titelpartie. Nun ja. Es kommt ganz drauf an, was man sich für eine Vorstellung von einer solchen Dame macht, die immerhin eine renommierte Tänzerin war und in den höchsten Offizierskreisen verkehrte.An Doris Day, diesem amüsanten amerikanischen Film-Idol, konnte man sich innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal erfreuen, zuletzt in „Nachtklubaffäre n“. Die Geschichte von dem Starlet, seiner großen Liebe und seinem tyrannischen Manager ist gar nicht so phantastisch und operet-tenhaft, wie sie sich stellenweise gibt. Ein besonderer Gewinn war es, Doris Day auch einmal Jife“ singen zu hören. Sie kann, was wir längst vermuteten, allerhand! Der ganze Jammer, die Unwahr-haftigkeit und Effekthascherei des Play back-Verfahrens kam uns an zwei aufeinanderfolgenden Tagen während der vergangenen Woche besonders deutlich zum Bewußtsein: Als „Pausenfüller“ hörten und sahen wir, wie Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern die h-moll-Suite von Bach musiziert, das heißt cembalospielend dirigiert. Die Frage ist' für wen macht man solche Konzert-Shownummern? Der gebildete Musikliebhaber findet sie komisch oder ärgerlich, und wer nichts davon versteht, den wird auch in dieser Präsentation die Musik Bachs gleichgültig lassen. Am vergangenen Samstag konnte man die gleiche Beobachtung in dem Porträt der Schlagersängerin Katja Epstein machen, das zurecht in der Reihe „Die Stimme“ gesendet wurde — denn sie hat wirklich eine! Und Intelligenz und Ausdruck dazu. Daß sie ununterbrochen auf ihren langen Beinen durch allerlei pittoreske Landschaften, auf Bergeshöhen und am Meeresstrand spazieren muß, lenkt nur ab, und das unbewegte Gesicht, der geschlossene Mund bei den expressivsten Stellen ihrer Lieder wirkt desillusio-nierend und absurd.

Das Beste zum Schluß: eine von dem Regisseur Hannes Zell und dem Kameramann Dietrich Wittich. hergestellte Dokumentation über den Autor des „Mannes ohne Eigenschaften“, Robert Musil, mit einem intelligenten Text, guten Sprechern und einfallsreicher Bildregie, die vom Gewohnten abweicht, nur selten illustriert, sondern deutet und die Gedanken Musils ins Optische transponiert. Es ist ein Musil für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem sich so vieles erfüllte, was er vorausgeahnt. Seine Diagnosen waren ja immer genau und richtig. Dokumentarischen Wert erhält diese Produktion durch die Zeugnisse wichtiger Zeitgenossen des großen österreichischen Schriftstellers, wie Gütersloh, Csokor, Wotruba, O. M. Fontana sowie des verdienstvollen Herausgebers der großen Gesamtausgabe. Adolf Frise.

Anschließend wurde der Film „Der junge T örl es s“ von Volker Schlöndorff gezeigt, der nach Musil erstem Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Tör-less“ von 1906 gedreht und von der Fachkritik bereits ausführlich gewürdigt wurde. Er beginnt und endet auf einer kleinen Eisenbahnstation, weit im Osten des Reiches, wo das Konvikt mit dem Kadetteninternat liegt. — Die unseres Wissens nirgends erwähnte sparsame, aber suggestive Begleitmusik von Hans Werner H enz e rückt den Ort der Handlung noch weiter östlich ... Wie vielen Fernsehern dieser schwierige analyt^che Film wohl gefallen haben mag^ Aber die Werke Musils sind ja auch nicht jedermanns Lektüre. Und schließlich hat die sich nach oben verjüngende Spitze der Pyramide ebenfalls ein Recht auf Berücksichtigung...

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