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Drei französische Klassiker

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DIE KÜNSTLICHEN PARADIESE. Von Charles Baudelaire. Rowohlts Klassiker, 1964. 139 Selten. Preis 15.90 S. — UNSER EINSAMES HERZ. Roman von Guy de Maupassant. Artemis-Verlag, Zürich, 1964. 224 Seiten. Preis 17.50 sFr. — ANDRE GIDE. Von Claude Martin. Rowohlts Monographien, 1963. 173 Seiten. Preis 20.20 S.

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DIE KÜNSTLICHEN PARADIESE. Von Charles Baudelaire. Rowohlts Klassiker, 1964. 139 Selten. Preis 15.90 S. — UNSER EINSAMES HERZ. Roman von Guy de Maupassant. Artemis-Verlag, Zürich, 1964. 224 Seiten. Preis 17.50 sFr. — ANDRE GIDE. Von Claude Martin. Rowohlts Monographien, 1963. 173 Seiten. Preis 20.20 S.

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Charles Baudelaire (1821 bis 1867), einer der größten französischen Lyriker des 19. Jahrhunderts, auch einer der markantesten „Poetes maudits“, revoltierte schon in jungen Jahren gegen die bürgerlichen Konventionen seiner Umwelt und den materialistischen Ungeist. Dieser Dichter mit den überfeinerten, reizbaren Sinnen, voll Sehnsucht nach Schönheit, begierig nach dem Erlesenen und Außergewöhnlichen, flüchtete aus dieser „gemeinen Welt“ in Traum und Imagination. Ihn lockte es, wie es in einem Gedicht heißt, „zur Tiefe des Unbekannten, etwas Neues zu erfahren“. Aus eigener Erfahrung kannte er die Rauschgifte Haschisch und Opium. Ihre Wirkungen, die Träume und Halluzinationen, aber auch die traurigen Folgen schilderte er in der „Dichtung vom Haschisch“ und „Ein Opiumesser“. Letztere Abhandlung beruht auf den Erinnerungen des Thomas de Quincey. Beide Prosawerke erschienen zuerst in einer Zeitschrift und wurden 1860 als Buch mit dem Titel „Die künstlichen Paradiese“ veröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe bietet die Ubersetzung von M. Bruns mit einem Essay von Maurice Nadeau. Das Buch ist für das Verständnis Baudelaires sehr aufschlußreich und zeigt auch den Glanz seines Stils.

In der von Josef Halperin besorgten deutschen Ausgabe der Romane von Guy de Maupassant erschien als letzter Band „Notre coeur“ (1890) unter dem neuen Titel „Unser einsames Herz“, der dem Inhalt des Werkes durchaus gerecht wird, denn es geht hier um den tiefen Zwiespalt zwischen Wunschbild und Wirklichkeit in der Beziehung zweier Menschen. Von den Romanen Maupas-sants, die seinen Erzählungen künstlerisch nicht nachstehen, ist dieser wohl am ärmsten an äußerer Handlung, aber reich an psychologischer Vertiefung und nuancierter Charakterzeichnung. Andre Mariolle quält sich mit seiner leidenschaftlichen Liebe zu einer schönen, mondänen, aber etwas gefühlskalten Frau, welche die Grenzen ihrer Natur nicht überschreiten kann und zur wahren inneren Hingabe nicht fähig ist. Das gesellschaftliche Milieu des Romans ist schon seit langem versunken, das menschliche Problem aber ist geblieben und wurde hier von der Meisterhand eines großen Erzählers gestaltet. Die Ausstattung des Buches ist sehr geschmackvoll.

Der Verfasser der Biographie Andre Gides schildert Leben und Werk des Dichters mit Recht in enger Verbindung, denn das autobiographische Element spielt in seinem Schaffen eine sehr große Rolle. Der Wahrheitsfanatiker Gide hat auch die Intimsphäre seines privaten Lebens mit rücksichtsloser, oft schockierender Offenheit enthüllt. Martin zeichnet ohne Beschönigung die komplizierte Persönlichkeit und den dichterischen Weg des „Immora-listen“, wobei er zahlreiche Zitate aus den Romanen und Selbstzeugnissen verwendet. Er sieht in Gide den „letzten Repräsentanten des Klassizismus“, der allerdings keinen nennenswerten Einfluß auf die junge Schriftstellergeneration Frankreichs ausübe. Aus dieser Monographie formt sich das Bild eines ungewöhnlichen, hochbegabten Dichters, eines rastlos Suchenden, dessen übersteigerter Individualismus und Amoralismus aber den Wert seiner Werke sehr beeinträchtigen und in tiefem Gegensatz zur christlichen Ethik stehen.

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