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... ein Zeichen, dem widersprochen wird

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DER JOSEFINISMUS. Dls Geschichte des österreichischen Reformkatholizismus 1740 bis 1848. Von Eduard Winter. Berlin (DDB), Rütten-und-Locninsr-Verlas, 196g. Überarbeitete Fassung- von „Der Josefinismus und seine Geschichte“, Brünn 1943. 380 Seiten. Preis 19.80 DM.

Bekanntlich gibt es eine Art Braten, der auf einem Kuchen aus Kukuruzmehl serviert wird; wer das Gericht kennt, weiß, daß man diesen stehen läßt und nur der Braten zum Essen da ist. Es gibt Bücher, die genauso aus nahrhaftem Inhalt und ungenießbarer Zugabe bestehen; ein solches Werk liegt hier vor uns. Den ernsthaften Inhalt gibt der Titel an; das hochinteressante Thema ist um so ergiebiger verarbeitet, als der Autor befähigt war, für die Entwicklung in den böhmischen Ländern Quellen und Literatur in beiden Landessprachen zu benützen. Der Leser findet also reichliche Information über eine Geistesrichturig, zu der wir heute endlich historische Distanz haben können; wir können also sehr wohl innewerden, wieviele aufrichtige katholische Männer am Josefinismus mehr oder weniger Teil hatten. Die beiseitezulassende Zugabe der neuen Fassung des Werkes ist die historisch-materialistische Phraseologie, deren Tendenz natürlich zu deutlichem Widersinn führt. Denn Winter sagt selbst, daß die tatsächliche Tendenz des Josefinismus „dem Grundprinzip dieser Kirche widersprach“; kann man es den Oberhirten der katholischen Kirche danach übelnehmen, wenn sie diese Richtung ablehnten und bekämpften? Doch sollen diese Selbstverständlichkeiten den Nutzen nicht verringern, den das in Winters Arbeit zusammengestellte Material für die Geschichte bietet.

Auf seine ernstzunehmenden Darstellungen möge nun das Satyrspiel folgen. Wir meinen

DAS PÄPSTLICHE ROM UND DAS DEUTSCHE REICH. Eine Dokumentation. Von Walter L ö h d e. Hans-Pfelffer-Verlag, Hannover, 1964. 283 Seiten.

„Eine einzigartige, zeltnahe und aufschlußreiche Dokumentation“: so ergänzt der Umschlag den anscheinend allzu anspruchslosen Untertitel des Titelblattes. Ach, wäre es doch nur eine Dokumentation! Aber die Zeitdokumente nehmen wenig mehr als die Hälfte des Raumes ein; der Rest ist Kommentar: und welch ein Kommentar... Nach dem Ende des Hitlerismus und Stalinismus kann es kein Mensch den Hütern des katholischen Sittengesetzes verdenken, wenn sie nicht unbesehen schlechthin jede staatliche Anordnung für verbindlich halten — sollte man meinen. Aber wie Figura zeigt, ist das auch heute noch möglich. Ein Buch, welches heute noch den Ministerpräsidenten Lutz wegen seines königlich bayrischen Cäsaro-papismus verherrlicht, gehört wahrhaftig unter die Kulturkuriosa.

Interessant ist übrigens, daß der Autor das Zentrum, wie es unter Bismarck kämpfte, als Verbündeten der Sozialdemokratie anprangert. Im allgemeinen übrigens — was macht man mit einem Mann, der Kirchengeschichte schreibt und ein bekanntes Psalmenzitat (S. 218. Anm. 18) zu agnoszieren nicht imstande ist? Der Rest ist auch danach... Nun eben: Kulturkuriosa.

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DIE AUSSENMINISTER DER PÄPSTE. Herausgegeben von Wilhelm Sandfuchs. GUnter-Olzog-Verlag, München und Wien. 1962. 160 Seiten. Preis 98 S.

Und nun eine Darstellung der vatikanischen Politik von der eigenen, der katholischen Seite aus. Auf einen Aufsatz über Entstehung und Bedeutung ihres Amtes folgen die Biographien von neun Staatssekretären, welche durch eine Tabelle über die Staatssekretäre der Päpste seit Innozenz XI. in hochwillkommener Weise ergänzt werden. Die von neun Autoren beigesteuerten Kapitel entsprechen der Bedeutung des Gegenstandes, sie dienen vortrefflich dem Verständnis der komplizierten Geschichte. Besonderen Dank weiß der katholische Leser für den nachdrücklichen Hinweis auf die wahrhaft geistliche Gesinnung

der päpstlichen Staatssekretäre während der letzten Pontifikate: der kleine Moritz stellt sich einen Kardinal-Staatssekretär ja in Gestalt eines Operettenintriganten vor. Ist ein Wort respektvoller Kritik gestattet? In der Biographie des Kardinals Rampolla wären gewisse Sätze vom Standpunkt der Geschichte aus zu ergänzen. „Den Machenschaften Österreichs war es zu verdanken, daß das Konklave von 1800 in Venedig dreieinhalb Monate dauerte.“ Den Machenschaften Österreichs war es zunächst einmal zu verdanken, daß das Konklave von 1800 in Venedig überhaupt abgehalten werden konnte! Und wenn es Frankreich betreffend heißt: „ ... da die Katholiken konservativ eingestellt waren, entwickelten sich die Republikaner zu Antiklerikalen und Kirchenfeinden“ ... du lieber Himmel!, die hatten sich nicht erst zu solchen zu entwickeln, die waren es seit der Ausrufung der Republik, welche nicht zuletzt darum erfolgte, weil König Ludwig XVI. dem Papsttum gegen die sogenannte Zivilverfassung der Geistlichkeit — gegen die von den Antiklerikalen gewollte Verstaatlichung des Kirchenwesens — die Treue halten wollte. Im ganzen ist zu sagen, daß man sich mehr solcher handlichen, lehrreichen Büchlein über die Tätigkeit des Papsttums wünscht.

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