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Experimente im Rundfunk
Die letzten Wochen weißen eine überraschende Zahl von Experimenten und mutigen Neuaufführungen auf, die fast alle erstaunlich gut gelungen sind.
Und es erweist 6ich auch, daß der Mut zum Experiment weiten Anklang findet. Obwohl Hörer meist nur dann schreiben, wenn ihnen etwas nicht gefält, waren die zustimmenden Briefe zur Aufführung von Kafkas .Der Prozeß“ (Ravag) ln der Dramatisierung von Andrė Gide und J. L. Barrault so zahlreich, daß die Aufführung wiederholt werden mußte. Die dichterisch und dramaturgisch vorzügliche Bühnenbearbeitung war von Dr. H. Nüchtern ausgezeichnet für den Rundfunk eingerichtet und sehr eindringlich, modern und (einige Rollenbesetzungen ausgenommen) ganz in der Atmosphäre Kafkas inszeniert worden. Diese Aufführung war eine der besten der letzten Monate. — Die letzte Sendung der Reihe .Hier spricht Utopial’ im gleichen Sender war gleichzeitig ihr Höhepunkt! .Der Turm der Welt“, das großartige Versepos von Rudolf Henz, hatte Dr. Viktor Sudhy mit viel Einfühlungsvermögen und dramatischer Kraft für den Rundfunk bearbeitet (für den Kenner des Buches eine erstaunliche Leistung), und es war ein besonders guter Gedanke, diese eindrucksvollen prometheischen Visionen an den Schluß der Reihe zu stellen! leider wies die Interpretation Schwächen auf.
Rot-Weiß-Rot brachte al6 Nachtstudio einen Epilog zu Sartres .Verschlossenen Türen’ von Gisela Uellenberg: .Die Tür springt auf.“ Sie versucht darin, der Ausweglosigkeit Sartre6 doch einen Ausweg zu schaffen und 6etzt dort an, wo Sartre aufhört und auch nicht weiter will, weil er den Weg leugnet: bei der Liebe, die ein Mensch für den anderen aufbringt und die tat-sächlich wirksam ißt. Ein sehr interessanter Versuch, Sartre mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.
Vielversprechend war die erste Sendung der Reihe .Entdeckungsfahrt durch Österreich“ (Rot-Weiß-Rot) von Friedrich Hansen- Löwe. Es wurde der Versuch gemacht, verschiedenen Leuten auf der Straße, Journalisten und Politikern die Frage zu stellen: .Können sie ihre eigene Meinung ihren gewählten Vertretern zur Kenntnis bringen und durchsetzen?“ Diese Sendung war ein Beispiel für gute Rundfunkreportage, packend, abwechslungsreich und geschickt! zu empfehlen wäre nur der Mut, beschämende oder negative Ergebnisse nicht positiv zu kommentieren.
Schließlich sei auch die Rundfunkübertragung der österreichischen Sender vom Domweihfest und dem Einzug der Pummerin vermerkt, die bestens organisiert und reportiert war.
Im Musikalischen brachte die Ravag eine Übertragung der Oper „Pellėas und Mėli- sande“ aus Paris, Rot-Weiiß-Rot das entzückende, gekonnte Spiel .Laßt uns ©ine Oper machen“ von Benjamin Britten — auch hier war eiine erfreuliche Aktivität zu spüren. Und schließlich eine Sendung des gerne u/nter- • schätzten Harmlos-Heiteren: RWR-Salzburg brachte eine reizende Aufführung Wilhelm Schmidtbonns „Maruf, der tolle Lügner“.
Dieser eingeschlagene Weg — hoffentlich war es kein zufälliger Schritt — ist gut und richtig; gerade der Rundfunk braucht Mut zum Neuen und Experimentellen, und es wird Erfolg haben, wenn es gut und gekonnt ist.
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