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Hysterie Genialitt

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Edward Albee hat von einem eeiner früheren Stücke erklärt, es stelle einen Angriff auf die amerikanische Gesellschaft dar, eine „Verdammung ahrer Selbstzufriedenheit, Grausamkeit, Verstümmelung und Leere“. Wohl aus derselben Absucht entstand das Stück „Empfindliches Gleichgewicht“, das derzeit im Akademietheater aufgeführt wird, mag auch die Anklage, wie in heutigen Stücken üblich, nicht direkt ausgesprochen werden.

Wir erhalten Einblicke an eine Familie reicher Müßiggänger, die sich mangels Beschäftigung und anderweitiger Sorgen in gegenseitigem Haß verzehren. Der Herr des Hauses, Tobias, vermag das nicht einzudämmen, seine Frau Agnes glaubt sich dem Wahnsinn nahe, deren Schwester Ciaire ist Säuferim, die Tochter Julia, die eben heimkehrt, scheiterte in vier Ehen. Eine morbide, zerbröckelnde Welt ersteht vor uns. Als sich nun, ohne viel zu fragen, ein befreundetes Ehepaar einquartiert, da die beiden von Angstgefühlen verfolgt werden, fragt sich der Hausherr, ob es nicht Freundespflicht sei, sie bei sich zu behalten, auch wenn sie allen Pami'Henmlitgliedern äußerst lästig sind. Doch ehe die Entscheidung fällt, verlassen die beiden aus eigenem Entschluß das Haus.

Albee will wohl anklägerisch demonstrieren, daß diese Menschen der Liebe unfähig sind. Aber dies geschieht reichlich ungeschickt. Es fehlt bei dem befreundeten Ehepaar der überzeugende Notstand, der Liebe erheischen würde, sie begründen weder, noch erklären sie ihr Angstgefühl. Schon gar nicht hängt dieses Gefühl etwa mit einer metaphysischen Angst als oft deklariertem Kennzeichen unserer Zeit zusammen, es ist in das rational psychologisierende Stück unbeholfen eingesetzt. Der offenbar versuchte Vorstoß in tiefere Regionen mißlingt, es fehlt überhaupt alles Hintergründige, jene Dimensionen, die erst die Gestalten in einen Welt-zusammenhang rücken könnten. So bleibt bei aller psychologisch raffinierten Diadogführung lediglich die Signifikanz für amerikanische Zustände, die an einem Extremfall dargetan werden.

Das Akademietheater bietet unter der Regie von Rudolf Steinboeck eine überaus sehenswerte Aufführung. Das Psychologisierende des Stückes ist da bis in subtile Feinhelten wirksam gemacht, wobei allerdings erhebliche Striche nötig wären, um den Zuschauer nicht zu ermüden. Richard Münch gibt dem Tobias das Latschige der Gestalt, er übersteigert aber den Konflikt am Schluß ins Theatralische. Da hätte der Regisseur eingreifen müssen. Paula Wessely glaubt man als Agnes die innere Überlegenheit, die befähigt, das bedrohte Gleichgewicht der Familie zu halten. Jane Tilden verleiht der Säuferin heiter-groteske Züge, Annemarie Düringer bietet als Julia eine meisterliche Studie weiblicher Hysterie. Gusti Wolf und Erich Aberle als das befreundete Ehepaar zeichnen ebenfalls überzeugende Gestalten. Das- Bühnenbild von Rudolf Schneider Manns-Au, eine Diele, läßt den Wohlstand dieser amerikanischen Familie erkennen.

Archibald Joseph Cronin hat nicht nur im Roman einen Einblick in die Berufswelt des Arztes geboten, sondern auch in dem Schauspiel „Jupiter lacht oder Sperling in Gottes Hand“, das derzeit vom VolJcstheater in den Wiener Außenbezirken dargeboten wird. Es führt einen jungen genialen Arzt vor, der in einer Privatklinik gegen das Mißtrauen seines Chefs und der Kollegen eine neue Heilmethode entwickelt. Er steht zwischen zwei Frauen, wobei Crondn die Rachsucht der Verschmähten der echten Liebe einer jungen Ärztin entgegensetzt, die ihr Leben opfert, um seine von einem Brand bedrohten Aufzeichnungen zu retten, vollends mündet das aufkommende Widereinander zwischen Glauben und Wissenschaft in einen billig erbaulichen Schluß, kurz, alle Metierpraktiken, um die Gunst des Publikums zu gewinnen, sind geradezu aufdringlich eingesetzt. Als der junge Arzt bietet Wolfgang Hübsch unter der Regie von Hans Rüdgers eine beachtliche Leistung.

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