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IM STREIFLICHT

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NACHDEM die Gemeinde Wien ihr Des-

’ interessement an der Volksoper offiziell kundgetan hat, gibt ein sozialistisches Mittagsblatt seinem Aerger darüber Ausdruck, daß sich nun viele Leute mit dem künftigen künstlerischen Programm des Hauses beschäftigen, „auch solche, die weder vom Wiener Theater noch von der Musik etwas wissen". Ob seit 191J oder seit 1918 „in Wien keine volkstümliche Melodie mehr komponiert worden" ist, darüber wollen wir mit dem Autor des Artikels „Die sogenannte Staatsoperette" nicht streiten. Wohl aber darüber, daß „Ariadne und Blaubart" nicht von Ravel, sondern daß „Ariane et Barbebleu“ von Paul Dukas geschrieben wurde; und hinter dem Wechselbalg „Louis Charpentierse" im gleichen Artikel vermuten wir die Oper „Louise“ von Charpentier! Es macht mißtrauisch gegen die lapidaren Behauptungen des Mittagblattes, wenn diese mit sachlichen Irrtümern garniert sind.

NICHT ganz so tragisch, wie vor einigen ’ Wochen westdeutsche Blätter meldeten, ist — erfreulicherweise — das Schicksal des deutschen Dichters Alfred D ö b 1 i n. Der Sechsundsiebzigjährige lag tatsächlich während der Sommermonate auf der Freiburger Universitätsklinik mit schweren Herz- und Sehstörungen, verbunden mit Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen. Zur Nachkur hielt sich Dr. Döblin im Kurhaus Friedenweiler im Schwarzwald auf. Also in keinem „Armenspital", wie man andernorts lesen konnte, und auch nicht ganz „mittellos" und „verlassen", denn seine Frau war stets um ihn, auch mehrere Freunde und Bekannte. Freilich hatte Döblin infolge der Krankheitskosten vorübergehend finanzielle Sorgen, zumal sich seine Hoffnungen auf eine französische Staatspension nicht erfüllten. Aber der Dichter erhält auf Grund seiner anerkannten Wiedergutmachungsansprüche eine regelmäßige Monatsrente von der deutschen Bundesregierung, und sein Lebensabend scheint gesichert. Döblin, der nicht nur als Dichter einen angesehenen Namen hat, sondern sein Leben lang auch als Armenarzt in Berlin-Ost tätig war, hat das wirklich verdient, — ebenso wie er den Literaturpreis 1954 der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, der ihm soeben verliehen wurde, verdient hat.

FUR vieldiskutierten deutschen Rechtschreibe- reform haben sich nun auch die deutschen Kultusminister geäußert, die in Hannover tagten. Zwar bestand bei ihnen eine gewisse Neigung für eine „gemäßigte Kleinschreibung" (wie macht man das?), vor allem aber betonten sie, daß irgendwelche Reformen nur in ständiger Fühlungnahme mit der deutschen Sowjetzone sowie mit Oesterreich und der Schweiz vorbereitet werden können. Und da diese Partner wohl schwer unter einen Hut zu bringen sind, sehen wir für die „aktion kleinschreibung" und ihre Bundesgenossen schwarz, das heißt, wir sind optimistisch und hoffen, daß alles beim guten, wenn auch etwas beschwerlichen Alten bleibt.

EINE hymnische Woge braust durch Kon- ferenzprotokolle. Nein, keine internationalen Akte, sondern bloß Akte für den Unterricht. Bei festlichen Akten nämlich — so lasen wir — stellte sich heraus, daß es Schüler gibt, die den Wortlaut der österreichischen Hymne nicht kennen. Daher Anweisung: Es ist Sorge zu tragen, daß die Schüler sämtliche drei Strophen auswendig lernen. Der Text ist sowohl für den Deutschunterricht — Verzeihung: für die deutsche Unterrichtssprache — auszuwerten als auch für den Geschichtsunterricht; in einem Realgymnasium waren die Schüler braver, da kannten sie den Text — aber nicht die Musik richtig. Daher: Unterlage für den Musikunterricht. Anmerkung (nicht amtlich): Ueber Lorenz Leopold Haschka und Johann Gabriel Seidl wird in der Urgeschichte nach Tunlichkeit unterrichtet. Und Joseph Haydn ist ohnehin so festlich in Eisenstadt neu begraben worden.

DAS letzte Wort hat Cinemascope — dies ist der Reklameslogan der 20th Century Fox geworden. Er hat, wie eine Sammlung neuer Kostproben dieser Tage erwies, wirklich einiges für sich. Denn das Cinemascopeverfahren bringt den „Raumton" mit sich, der mit den einzelnen Darstellern auf der Leinwand mitwandert, er gibt den Aufnahmen eine Tiefenschärfe, die auch 40 Kilometer weit entfernt liegende Gebirgszüge nah, wenn auch nicht plastisch erscheinen lassen. Das Cinemascopeverfahren dürfte sich vor allem für Dokumentarfilme, für Wochenschauen, für Reisereportagen eignen. Ueberall dort, wo es sich um die Wiedergabe von Wirklichkeit handelt, ist es wohl durch kein anderes Verfahren (es sei denn eine gebogene Panoramaleinwand) zu übertreffen; das Ende der Filmkulisse ist gekommen. Freilich hat das alles, da die Entwicklung des Films immer mehr zu einer möglichst naturgetreuen Reproduktion der Wirklichkeit hintendiert, mit Kunst nichts mehr zu tun. Der künstlerische Film wird in kleinen Art-Kinos Unterschlupf suchen müssen. Aber schon wegen der endlichen Klärung der alten Streitfrage, ob Film Kunst sei, ist Cinemascope zu begrüßen.

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