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In Sachen Heimatkunde

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In einer Zeit, da die Menschen glauben, daß nur eine Urlaubsoder Erholungsreise nach Palma di Mallorca, Tunis oder eine Safari nach Kenia Ausdruck standesgemäßer, von der Hybris „Wirtschaftswunder“ genährter Lebensweise ist, dürfte es recht gut und nützlich sein, sie wieder an die kleinen Dinge und Freuden des Daseins zu erinnern. Sonst geraten die Maßstäbe, die nun einmal das soziale Gefüge eines Gemeinwesens eines Staates regeln und lenken, allzusehr ins Schwanken, Und das kann in unserer ohnehin zu Exzessen jeglicher Art neigenden Gegenwart auf die Dauer nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gesamtheit unzuträglich, wenn nicht gar gefährlich werden. Zudem kann ein gewisses Maß von Besinnung und Besinnlichkeit unseren von der Hektik des Alltags vibrierenden Nerven durchaus nicht schaden. Leider haben die meisten von uns in den vergangenen Dezennien die Fähigkeit verloren, sich aus eigenem Antrieb solche stillen Stunden, solche kleinen Zäsuren zur seelischen und körperlichen Regenerierung zu verschaffen. Und wenn sie aus irgendeinem Grund zwangsläufig in einen solchen Moment der Ruhe versetzt werden, wissen sie in den meisten Fällen nichts damit anzufangen.

Sie empfinden es als Leerlauf in ihrem vom Computer-Denken gelenkten und programmierten Tagesablauf. Dabei würde es genügen, sich .nur in ihrer nächsten Nachbarschaft umzuschauen, wo es noch Immer Dinge xu entdecken gibt, die geeignet sind, solche „schöpferischen Unterbrechungen“, wie man sie auch nennen könnte, zu einer Quelle sachlicher und ge/ühlsmä/Jlger Bereicherung werden zu lassen. Das kann ein Bauwerk mit reicher und aufschlußreicher Vergangenheit ebenso sein tüte dos mit vielem Persönlichen getränkte Gemälde eine» bekannten Künstler» in einem Museum oder ein mit offenen Augen unternommener Spaziergang durch »elten berührte Straßen und Plaue der eigenen Stadt.

Wert und Bedeutung der Hinlenkung der breiten öfjentlich-kelt zu einem solchen Denken und Verhalten hat das Massenmedium „Fernsehen“ auch bei uns schon seit seinen Kindertagen erkannt. Eine der bedeutendsten Sendungen, die sich die Aufklärung und Unterrichtung im geschilderten Sinne besonders angelegen sein ließ, war und ist der „Fenstergucker“. Geschaffen von dem det künstlerischen Dokumentation verschriebenen und leider viel zu früh verstorbenen Regisseur Peter Steigerwald hat diese Sendereihe, die nun seit mehr als Jahresfrist auch jenseits der Grenzen Österreichs steigenden Anklang finden, sich stets bemüht, den kleinen und großen Dingen abseits der zementierten und asphaltierten, sogenannten Hauptstraßen unseres Daseins nachzuspüren.

So half uns mit liebevollen Augen und profundem Witten einer der Altmeister de» österreichischen Films, „Papa“ Leopold Hainisch, die Schönheit vergessener einheimischer Barockschlösser und Landschaften ebenso neu zu sehen, wie das von vielfältigen geschichtlichen Ereignissen geprägte, geheimnls-umhültte Antlitz einer Stadt wie Prag auf kaum ausgetretenen Pfaden zu erleben. Unaufdringlich, aber trotzdem nicht minder intensiv wird in diesen Sendungen die oft verpönte „Liebe zur

Heimat“ ohne den ominös-suspekten Geruch von „Blut und Boden“ an das Publikum herangetragen, um ihm den Blick für Wesentliche» und Schönes in seiner näheren und weiteren Umgebung ttuf2uschlie/5en. Eine Aufgabe am Rande des Massenmediums „Fernsehen“, aber eine, für die zu,arbeiten es sich immer vneder lohnt, selbst wenn einen zuweilen eine solche Sendung nicht ganz zu überzeugen vermag und in manipulierte Sentimentalität abzusinken droht, wie die» zum Beispiel bei der jüngsten „Wiener Vorstodtbal-lade“ zum Teil der Fall war.

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