Andruchowytsch - © Foto: Imago / Sabine Gudath

Juri Andruchowytsch: Die Rettung der Welt durch Musik

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Auf der Suche nach dem richtigen Sound: Der diesjährige Heinrich-Heine-Preis-Träger Juri Andruchowytsch bringt mit seinem Roman „Radio Nacht“ die Ukraine zum Klingen.

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Auf der Suche nach dem richtigen Sound: Der diesjährige Heinrich-Heine-Preis-Träger Juri Andruchowytsch bringt mit seinem Roman „Radio Nacht“ die Ukraine zum Klingen.

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Es kann natürlich nicht der Roman über den Krieg sein, der am 24. Februar dieses Jahres von Wladimir Putin begonnen wurde. Diese Feststellung versteht sich von selbst und ist doch wichtig, weil Juri Andruchowytsch mit seinem jüngsten Werk „Radio Nacht“ nicht einen, sondern den Roman über die ukrainische Geschichte der letzten zwanzig Jahre geschrieben hat.

Ohne das Wort „Ukraine“ übrigens je zu verwenden: Was auch nicht angegangen wäre, denn dieser Roman referiert nicht Realitäten, er beschwört sie, das schließt Magisches mit ein; und auch wenn man weiß, dass die Startrampe dieser fantastischen Erkundung östlich des Karpatenbogens angesiedelt ist, geht es hier immer auch um Universelles. Um eine Welt zwischen Tod und Teufel. Um faustisches Streben. Um Diktatoren und Waschlappen, um Superreiche und Hungerleider, ums ewig Weibliche (eigentlich ständig und in allen Spielarten) und schließlich um nicht weniger als die Rettung der Welt durch Musik. Klingt etwas überorchestriert – und ja, vielleicht ist es das auch.

Der Held des Romans heißt Josip Rotsky. Und der Autor motiviert die Namenswahl so: „Wirklich Josip? Oder doch archaischer – Osip? Vielleicht Josiph? Oder sogar Joseph und Józef? Oder gleich Joasaph und Josaphat? – Josip Rotsky. Ein prätentiöser Hybrid aus Brodski und Roth. Letzterer war seinem Geburtsort nach ebenfalls ein brodskyj beziehungsweise brodywskyj, einer aus Brody. Dies nur am Rande.“

Also Rotsky und warum auch nicht. Obwohl der Nobelpreisträger Joseph Brodski, der sich auf Deutsch übrigens Brodsky schreibt, und Joseph Roth eigentlich nicht viel gemein haben. Trotzki hätte sich auch gereimt. Später wird sich noch ein Rabe auf seiner Schulter niederlassen und zu seinem ständigen Begleiter – womit auch Edgar Allan Poe zu Ehren kommt.

Die Ukraine als Radioprogramm

Rotsky ist ein sehr sympathischer Held. Ein ruhiger Typ (falls man das von einem Pianisten sagen kann) in einer völlig aus den Rudern gelaufenen Welt. Andruchowytsch hat versucht, dieses spezifische Biotop zu strukturieren, und ist dabei auf eine originelle Idee verfallen. Als Leser bekommen wir zweierlei: Einmal ein vom DJ Rotsky moderiertes Nachtprogramm (das Buch heißt schließlich „Radio Nacht“), in welchem zwischen den Musikstücken Rotsky aus seinem Leben erzählt. Der Soundtrack dazu ist auf Youtube zu finden und der Link dazu als QR-Code dem Text mitgegeben. Wer Lust hat, kann also nachhören, was Rotsky in dem Club mit dem schönen Namen Xata morgana anmoderiert. Wohl der seltene Fall eines Romans mit einem durchgehend klar definierten Musikprogramm.

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