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Langer heißer Sommer

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In dem amerikanischen Film „Der lange heiße Sommer“, nach dem Roman „Das Dorf“ von Faulkner, wurzelt nur eine einzige Gestalt in der amerikanischen Literatur des ersten Jahrhundertdrittels: eit kleverer junger Mann, der, belastet von der Legende um seinen pyromanischen Vater, in eine Südstaatenfamilie einbricht und dort, förmlich gierend nach Boden unter den Füßen, vorerst mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln, am Schlüsse aber etwas überstürzt geläutert endgültig Fuß faßt. Dieser Quid könnte noch aus Dreisers „Amerikanischer Tragödie“ stammen. Besagte Familie aber — was für Wandlung in 35 Jahren! Es scheint jetzt in Amerika letztlich nicht mehr um jene Jungen zu gehen, die sich auf Biegen oder Brechen an die Sonne boxen wollen, sondern um die Alten, die die Erbfolge ihres sauer erworbenen und unbedenklich errafften Pionierbesitzes und damit sich selbst in einer geschwächten nächsten Generation in Frage gestellt sehen. Der große alte Mann des Films „Der lange heiße Sommer“, von Orson Welles mit großartigen, da und dort schon etwas verschmierten vollsaftig-komödiantischen Farben ausgestattet, ist der tyrannische Patriarch des heutigen Amerika, um den die Ödipuskomplexen, neurotischen Kinder und Schwiegerkinder nur wie jämmerliche Satelliten kreisen. Seine Sorge ist die Brut der kommenden Zeiten, Kraftlackel wie er und gebärtüchtige Weiber, die das Erworbene bewahren und vermehren sollen. Die Wirklichkeit konsterniert ihn: dem Sohn hat er das Rückgrat gebrochen, die zutiefst gesunde Tochter deckt ihre schwelende Sehnsucht unter dem dünnen Mäntelchen einer vorgespielten Frigidität. Doch wäre es nicht Amerika, würde „der Sang mit Fluch enden“. Nachdem sie zwei Stunden wie Katzen um den Brei bzw. das heiße Blechdach geschlichen sind, bricht alles Verschüttete, alles Gute in ihnen auf. Sie sind noch einmal davongekommen. Die Pioniermacht ist gerettet. Die Erde dreht sich weiter um den Mittelpunkt: God’? own country.

Ein leiser Zweifel bleibt zurück, auch von so interessanten, faszinierenden Filmen, wie „Der lange heiße Sommer“ oder (nach Tennessee Williams) „Die Katze auf dem heißen Blechdach“. Amerikas junge Dichter bohren weiter, fragen, zweifeln, klagen an. Der Pionierfrühling ist vorbei. Es ist langer heißer Sommer geworden. Brennende Sonnen erfüllen seine weißen Tage, und gefährliche Flammen züngeln in seinen schwarzen Nächten.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nrn. 26 und 27 vom 27. Juni und 4. Juli 1959: II a (Für alle; für Kinder gewisse Vorbehalte): „Kapitän Seekrank“, „Sein Freund Jello“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Was weiß Mama von Liebe“ , „Helden zur See“ — IV (Für Erwachsene): „Befehl zum Töten“ , „Frauen hinter Gittern“ , „Ein Fremder in meinen Armen“, „Liebe im Sturm“, „Polizeiaktion Dynamit“, „Die Feuerfliege", „Das Geheimnis des Monsieur Duval", „Hitzewelle“ , „Die lange Nacht“

— IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Hölle der 1000 Martern“, „Das Testament des Grafen von Monte Christo“, „Die Verliebten von Montparnasse"

— IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt) i „Der ehrbare Bigamist“ — V (Abzuraten): „Die Giftmischerin von Paris“ —VI (Abzulehnen): „Küsse, die töten“, „So enden sie alle", „Das Nachtlokal zum Silbermond“. — = bemerkenswerte Filme.

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