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Ausbruch aus der Herde

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Mit bestechender Offenheit enthüllt uns der anglo-amerikanische Film die Kehrseite der Medaille (des modernen Sozialstaates). Dem amerikanischen Schock-film „Die Faust im Nacken“, der einen Einzelfall (?) korrumpierten Gewerkschaftsterrors bloßgestellt hat, folgt jetzt der nicht weniger bestürzende Film über einen gewerkschaftlich nicht gebilligten, von Dunkelmännern gelenkten wilden Streik, „Zorniges Schweigen“, für dessen schonungslos aufrichtige Darstellung wir die Engländer durchaus zuständig halten dürfen. Letzten Endes aber ist dieser Film gar kein politisch, also garstig Lied, sondern ein zeitlos gültiges Plädoyer für jene Reste des freien menschlichen Individuumdaseins, die uns der moderne „Zoo Politiken“ noch gelassen hat Der „Held“, ein Einzelgänger, wird als Streikbrecher verbellt, gejagt, ja am Leben bedroht; er ist kein strahlender Held, sondern ein zweifelnder, verzagter, bedrängter kleiner Mann und Familienvater, aber sein Instinkt, sein Kern ist gut und macht ihn schließlich zum Sieger auf der Walstatt. Fast noch symptomatischer ist die Figur seines, Freundes, dessen Ohne-mich-, besser: Überall-dabei-Standpunkt ad absurdum geführt wird. Die Ausrottung aieses weitverbreiteten Typus (des „Kollektivschweinehundes in uns“) ist fast noch wichtiger alä die Züchtung von Eigenbrötlern. Der Film ist vom Buch her klug angelegt, glänzend inszeniert und gespielt. Seine hohen ausländischen Auszeichnungen und das heimische Prädikat „Besonders wertvoll“ sind verdient.

Man möchte gerne ähnliches von dem amerikanischen Film „Wer den Wind sät“ sagen denn seine Forderung nach Freiheit des Denkens, Redens und Lehrens ist die aller Redlichen auf dieser Erde. Von dem „Affenprozeß“, der vor Jahrzehnten die Gemüter in Amerika erregte, wissen wir hier nicht viel. Der Film jedenfalls verpaßt die Chance, Darwinismus, besser: die überspitzte materialistische Deutung und Ausweitung durch Haeckel und Huxley mit einer modernen theologischen gesamtevolutionistischen Auffassung vom Werden der Organismenwelt zu konfrontieren. Er spielt dagegen nur liberale Tugendbolde gegen schleimige Puritaner aus, und der Ausgang ist leicht zu erraten — falsch I Gerade am Schluß ist der Film am unehrlichsten und läßt seinen Helden friedlich, mit Bibel und Darwin unterm Arm, ab durch die Mitte gehen. Unter der Regie Stanley Cramers sieht man Spencer Tracy großartig wie immer, Frederic March so gut wie noch nie.

Gibt es ein gutes deutsches Lustspiel? Seit Lessing ja. Bis heute, da die Ufa seine „Minna“ unter dem Titel „Heldinnen“ frei, sehr frei, aber hübsch und flott, von Marianne Koch und Johanna von Koczian reizend gespielt, inszeniert hat.

Auch auch noch „Eine Frau fürs ganze Leben“ mit Ruth Leuwerik vom Baby bis zur Omama und — mit Distanz — „Schick deine Frau nicht nach Italien“ machen Filmdeutschland keine Schande. *

Film schau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): IIa (Für alle; für Kinder gewisse Vorbehalte): „Eine Frau fürs ganze Leben“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend; etwa ab 16): „Zorniges Schweigen“**, „Heldinnen“*, „Schick deine Frau nicht nach Italien“, „Fuzzy rechnet ab“, „Der Tempelschatz von Bengalen“, „Raumschiff landet auf der Venus“ — IV (Für Erwachsene): „Der Widerspenstigen Zähmung“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Ein Toter ruft an“, „Sie hassen und sie lieben“, „Das Erbe des Blutes“, „Das Gefängnis der gefährlichen Mädchen“, „Gewalt am See“ — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Drama im Spiegel“, „Wer den Wind sät“, „Der Herrscher von Kansas“ — V (Abzuraten): ..Der Panther wird gehetzt“, „Sklavin der Pirateninsel“. — ** = empfehlenswert, * = sehenswert.

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