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Spanier, Feldherr, Christ

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Der militärische und diplomatische Werdegang der Eroberung Mexikos ist oft beschrieben worden und es wäre schwierig, wollte man versuchen, diese Aspekte einer der großartigsten Unternehmungen, die in der Weltgeschichte verzeichnet sind, aus bisher unerschlossenen historischen Quellen zu .ergänzen Nichts deutet darauf hin, daß Madariaga daran gedacht hätte, solches zu wagen. Er ■ hält sich bei seiner Schilderung dei Ereignisse, die zu dem Zusammenbruch des Aztekenreiches und dessen Unterwerfung unter die Krone Spaniens geführt haben, durchaus an das Bild, welches uns vor allem aus den Aufzeichnungen des Bernal Diaz del Castillo und anderer Chronisten, und aus den fünf Berichten, die Hernän Cortes selbst für den Kaiser verfaßte, bekannt ist. Hiet ist es nicht sosehr der Geschichtsforscher als der unübertroffene Kenner der spanischen Volksseele, der Psychologe und Meister der Sprachgestaltung Madariaga, der zu Worte kommt. Er geht dem Wesen seines Helden auf den Grund und analysiert die Kräfte, die den Conquistador befähigten, ein nach menschlichem Ermessen fast hoffnungsloses Abenteuer mit einem beispiellosen Erfolg zu krönen. Vieles hat da mitgewirkt: Ehrgeiz und Entdeckungstrieb, Tatendrang und Hunger nach Gold, ein nie versagender Mut gepaart mit kühler Ueber-legung, unbeirrbare Zielsicherheit, politischer und militärischer Scharfblick, die Gabe sich seine Freunde zu erhalten und Feinde zu Freunden zu machen, der Charme und zugleich die Respekt und Gehorsam gebietende Stärke seiner Persönlichkeit. Aber all das vereint erklärt nur zum Teil, wie es ihm gelingen konnte, seine tapfere kleine Truppe — kaum fünfhundert Mann zu Fuß mit einigen steinkugelschießen-den Feldschlangen und eine Handvoll Reiter zählte dieses „Heer“ bei seinem ersten Vormarsch — gegen ein reiches, wohlorganisiertes Staatswesen und dessen tausendfache Uebermacht an todesmutigen und keineswegs schlecht bewaffneten Kriegern zum Sieg zu führen. Entscheidend war die tiefe, sein ganzes Sein erfüllende Religiosität des heroischen Feldherrn; sein unwandelbares Gottvertrauen und seine durch nichts zu erschütternde Ueberzeugung, daß er dazu ausersehen und berufen sei, die Fahne seines christlichen Souveräns über dem neuentdeckten heidnischen Land zu entfalten, um dessen Bewohner — das war sein erstes und dringendstes Anliegen — von. ihrem unvorstellbar grauenhaften Götzendienst zum Glauben und zum Dienst Christi zu bekehren. In der Darstellung besonders dieser Momente erreicht die Sprachkunst Madariagas eine dramatische Höhe, selbst in einer Uebersetzung, die dem Englisch geschriebenen Original — der Autor beherrscht das Englische und das Französische in ebenso vollendeter Weise wie seine Muttersprache — leider nicht durchaus gerecht wird. Nur in einem Punkt ist ein ernstlicher Einwand zu erheben. Das Gefühl für Gut und Böse kann irregeleitet und pervertiert, ja es kann selbst auf altchristlichem Boden, wie wir es in unseren Tagen in erschütterndem Ausmaß gesehen haben, auch gänzlich unterdrückt werden. Aber dieses Gefühl an sich, dieses Unterscheidungsvermögen ist nicht, wie Madariaga der Humanist meint, ein Produkt der Evolution. Denn es wurzelt von Anbeginn in der gotterschaffenen menschlichen Seele.

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