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Lieber böse als wahr…

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Die .Broadwaymelodie 149 2“ (Theater am Parkring) von dem zu früh verstorbenen Jura Soyfer zeigt viel Begabung und wenig Reife. Das Stück schlägt nach allen Seiten um 6idi, aber die Zeit ist darüber hinweggegangen. Eine Reihe von Pointen erwies sich noch als treffsicher, andere aber haben im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte ihr Ziel verloren und verknallten in der Luft. Denn Pointen sind nicht renovierbar. Erfreulich an dei .Broadwaymelodie“, die aus Theater, Satire, Kabarett und Ulk zusammengesetzt (leider nicht komponiert) ist, bleibt die Tatsache, daß sie 6ich selbst nicht überern6t und — wichtig nimmt und dadurch leichtfüßig, fast schwerelos auftritt- Die Aufführung, die das Theater am Parkring vor Torschluß noch herausbrachte, darf als gut bezeichnet werden.

Das wiederbegründete Studio im Theater der Josef6tadt, dem eine Reihe vielversprechender Talente, 60 der diesmal ganz hervorragende Kurt Sowinetz, angehören, begann in den Kamfnerspielen mit Sartre6 „Tote ohne Begräbnis , einem Schauspiel, da6 der französischen Widerstandsbewegung ein Denkmal setzt und das, wie alle Sartreschen Existentialismen, notwendig ebenso demonstrative Ablehnung wie ehrliche Anerkennung fand. Man mag zu Existentialismus stehen wie man will: vom Theater versteht Sartre etwas. Ein paar Menschen kommen hi einem Raum zusammen, unfreiwillig, und schon ballt sich alles Geschehen, eine ganze Welt hier zusammen. Aber was ist das für ein Geschehen? Ist es die wirkliche Welt? Gewiß, Sartre hat einen tiefen Einblick in Psyche und Reaktion des Menschen, die er im Detail bisweilen zu unheimlicher Wirkung auszuwerten versteht. Aber: für das Wesen, für den „Mechanismus“ des Lebens besitzt er weit weniger Gespür. Vielleicht weil er letzten Endes doch nur Existentialist ist, und sein vorgefaßtes, keineswegs induktiv-empirisches Weltanschau- uungssystem auf das Leben übertragen und ihm seina Gesetze aufzwingen will. So tragt er in die Handlung, die nicht immer symptomatisch und typisch, ateo nicht immer Bild und damit reines Theater ist, 6eine persönlichen, aprioristischen Meinungen hinein. So kommt es, daß, wenn bei Sartre einige Personen in einem engen Raum aufeinandertref- fen, man sofort weiß, daß es schlecht ausgehen muß. Nicht weil es unbedingt im (meist ziemlich unberechenbaren) Schicksal (oder im individuellen Charakter) begründet ist, sondern weil es der Autor so will. Er findet zwar Gründe dafür, logische Gründe, aber man könnte auch andere, bessere Gegengründe erfinden, ohne dem Ganzen Zwang antun zu mü66en. Oder man könnte Aufbau und Ablauf der Handlung, so durchdacht und logisch fundiert sie sind, unschwer noch logischer, noch grausamer, noch masochi6ti6cher ad infinituro weiter konstruieren.

Und hier hat ein weiterer Gesichtspunkt der Kritik einzusetzen, der sich mit Sartre krankhaftem Hang zum Pessimismus zu befassen bat, einem Pessimismus, der unter dem Motto „eher böse als wahr tn den „Toten ohne Begräbnis“ ohne tatsächliche Parallele bleibt. Wa6 etwa bei Kafka noch zwingende, innere Notwendigkeit war, fehlt, und an ihre Stelle tritt eine rein äußerliche Notwendigkeit, die Sartre oft euch dann gebraucht, wenn er seelische Probleme Jn die Außenwelt projeziert. Wenn in den „Toten ohne Begräbnis Folterungen auf offener Szene zu sehen sind, ist dies kein Mittel, die Menschen aufzurütteln und zu erschüttern und „Zum-nidit-Weg- 6chaun zu bringen. Wenn man Folterungen zur Zeit Zacharias Werners noch für ein Mittel hielt, „Furcht und Schrecken im Publikum zu erzeugen, war dies mit mangelnder Erkenntnis zu entschuldigen: heute ist nur mehr leere Grausamkeit. Und 6o bleibt das Leben, das uns Sartre in seinen „Toten“ vermitteln will, eine zwar genial, wenn auch nicht vollendet konstruiert Maschine.

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